Fiskalpolitik

EZB überprüft sich selbst: Inflation im Fokus

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Symbolbild. (c) APA/AFP/DANIEL ROLAND (DANIEL ROLAND)
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Erstmals nach 16 Jahren wird die Geldpolitik überprüft. Auch Umweltthemen werden einbezogen.

Frankfurt. Wenn die sechs Mitglieder des EZB-Rates und die Notenbank-Präsidenten der 19 EU-Staaten am 12. Dezember zu ihrer nächsten Sitzung zusammentreten, ist keinesfalls Routine angesagt. Dafür sorgt schon allein der Wechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) von Mario Draghi zu Christine Lagarde. Sie wird aller Voraussicht nach keinen weiteren Zinsschritt setzen – vielmehr dürfte sie die erste fundamentale Beurteilung der Institution seit 16 Jahren ankündigen.

Diese strategische Bewertung hat Lagarde bereits angekündigt. Dabei dürfte das Inflationsziel oberste Priorität haben. Details sind noch nicht bekannt, was – wie so üblich – Spekulationen und einen Schlagabtausch um die richtigen Schwerpunkte ausgelöst hat.

Derzeit liegt das angestrebte Inflationsziel bei „unter, aber nahe zwei Prozent“. Doch hat die Notenbank dieses Ziel in den vergangenen Jahren stets verfehlt. Im Oktober lag die Inflationsrate in der Eurozone im Jahresvergleich bei 0,7 Prozent, in der EU bei 1,1 Prozent.

Insider gehen nicht von einer radikalen Veränderung in der Messung, sondern eher von einer „Optimierung“ aus. Dabei wird als Ergebnis ein Teuerungsziel von zwei Prozent genannt. Das Ziel einer mittelfristigen Stabilisierung des Preisauftriebs bei zwei Prozent würde den Druck nehmen, mit der Straffung der Geldpolitik beginnen zu müssen, sobald die Inflation über 1,5 Prozent steigt, hieß es dazu. Idealerweise würde dies auch die Erwartungen ankurbeln – ein entscheidender Faktor für das tatsächliche Preiswachstum –, da für eine Weile Spielraum für eine Zielüberschreitung geschaffen werde, sagte ein Insider.

Kein Konsens

EZB-Chefökonom Philip Lane warnte vor voreiligen Schlüssen. Es sei eine „schlechte Idee“, das Ergebnis der Überprüfung vorwegzunehmen, die bald von der neuen Präsidentin, Christine Lagarde, eingeleitet wird. Die Spekulationen zeigen aber ohnedies, dass es weder einen Konsens im Verständnis der Kräfte gibt, die die Euroraum-Wirtschaft prägen, noch darüber, was zu unternehmen wäre.

So plädiert Frankreichs Notenbank-Chef, François Villeroy de Galhau, wie auch einige andere EZB-Mitglieder für einen symmetrischen Ansatz. Dieser bedeutet, dass die EZB zu niedrige und zu hohe Inflationsraten gleichermaßen berücksichtigt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist anderer Ansicht: Er meinte kürzlich, dass ein solcher Ansatz außerhalb des Mandats liege und Risken für die Glaubwürdigkeit berge. Was die Überprüfung der Geldpolitik generell betrifft, hat Lagarde aber Weidmann und auch de Galhau sowie Österreichs Robert Holzmann hinter sich. Sie haben sich bereits positiv dazu geäußert.

Wohin die Reise geht, lässt sich schwer abschätzen. „Alles steht zur Diskussion“, sagte Holzmann. Als so gut wie sicher gilt jedoch, dass die EZB bei ihrer Analyse auch Umweltthemen einbeziehen will. Dies ist die Reaktion auf Kritik, wonach die EZB bei ihrem Anleihe-Ankaufprogramm klimaschädliche Investments bevorzugt hätte. (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2019)

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