Nachhaltigkeit

Sonne, Erde, Wind und Mikroben

In der Geblergasse im 17. Bezirk wird ein ganzer Block saniert und mit innovativer Energietechnik ausgestattet.
In der Geblergasse im 17. Bezirk wird ein ganzer Block saniert und mit innovativer Energietechnik ausgestattet.(c) ÖGUT/Kromus
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Dem Gebäudebereich kommt eine wesentliche Rolle bei der Energiewende zu. Besonders innovative Konzepte setzen auf eine Kombination unterschiedlichster Technologien.

Will Österreich die Energiewende schaffen, sind innovative Energiekonzepte bei Häusern ein wichtiger Beitrag. Vor allem Warmwasser und Heizung stehen im Visier: Sie machen laut Statistik Austria rund 85 Prozent des Energieverbrauchs in den heimischen Haushalten aus und verursachen einen großen Teil des CO2-Ausstoßes.

Eine solche nachhaltige Lösung hat man etwa für das Wohnbauprojekt Mühlgrundgasse der Genossenschaft Neues Leben und der M2plus Immobilien GmbH im 22. Bezirk gefunden. „Hier werden mehrere umweltfreundliche Technologien kombiniert, sodass Wärmeversorgung und Kühlung zur Gänze mithilfe erneuerbarer Energieträger erfolgen“, berichtet Matthias Watzak-Helmer von Urban Innovation Vienna.

Tiefensonden, Wärmepumpen

In der 155 Wohnungen umfassenden Anlage, die vor einigen Wochen bezogen wurde, wurden neun Wärmepumpen installiert. Sie bringen Erdwärme, die durch Tiefensonden aufgenommen wird und ursprünglich eine Temperatur von zehn bis zwölf Grad aufweist, auf über 30 Grad. Für Behaglichkeit in den Wohnungen sorgen nicht Heizkörper, sondern thermisch aktivierte Geschoßdecken, die die Wärme über mehrere Tage speichern und so abgeben können, dass stets ein angenehmes Raumklima erhalten bleibt. Betrieben werden die Pumpen ausschließlich mit Ökostrom, der zu rund 75 Prozent aus einem niederösterreichischen Windpark der WEB Windenergie kommt. „Lässt der Wind nach, schaltet sich das System automatisch ab“, erklärt der Energieplaner Harald Kuster, der mit seinem in Salzburg ansässigen Unternehmen Future is Now für die Haustechnik verantwortlich zeichnet. „Fällt die Raumtemperatur einmal unter die Behaglichkeitsgrenze, wird Ökostrom aus Fotovoltaik oder Wasserkraft zugeschaltet.“ Die Kühlung erfolgt über dasselbe System. Die Umwelt profitiert von diesem ausgeklügelten Konzept, das Teil eines vom Innovationsministerium begleiteten Forschungsprojekts ist, durch niedrige Schadstoffemissionen, die Mieterschaft von geringen Energiekosten.

„Im Neubaubereich gibt es schon viele derartige Lösungen, der Altbau hingegen ist ein Problem“, sagt Gerhard Beyer von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT).

Smarte Energiegemeinschaft

Wie auch dort innovative Lösungen Eingang finden können, zeigt das Projekt Smart Block Geblergasse im 17. Wiener Gemeindebezirk. Hier wird erstmals eine weitgehend auf Solar- und Geothermie-Energie fußende Strom- und Wärmeversorgung für einen gesamten Wiener Althausblock umgesetzt. Solaranlagen auf den Dächern liefern Wärme, die im Sommer mithilfe von zwölf in den Innenhöfen der Wohnanlage versenkten Sonden im Erdreich gespeichert und im Winter für die Warmwasserbereitung sowie fürs Heizen verwendet wird. „Nicht jedes Haus in diesem Block erfüllt alle Voraussetzungen“, erläutert Beyer. „Manche haben kein geeignetes Dach für Solarpaneele, manche keinen Innenhof.“

Dass der gesamte Block von den spezifischen Assets eines jeden Hauses profitiert, dafür sorgt ein Anergienetz, ein Leitungssystem aus Kunststoffrohren, in dem Wasser als Wärmemedium zirkuliert und das alle Häuser miteinander verbindet. Wärmepumpen, die sich einschalten, wenn besonders viel Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung steht, greifen auf dieses Wasser zu und setzen damit die Fußbodenheizungen in den Gebäuden in Gang. Im Sommer wird es zum Kühlen verwendet. „Voraussetzung für die Implementierung dieses Konzepts ist jedoch eine thermische Sanierung des gesamten Blocks“, betont Beyer. Begonnen wurde im Sommer des Vorjahres, ein Teil ist mittlerweile bereits fertiggestellt.

Mikroben produzieren Methan

Wie sich energetisch innovative Konzepte bei Gewerbebauten umsetzen lassen, macht unter anderem ein KMU aus Pasching in Oberösterreich vor. Die Krajete GmbH erzeugt an ihrem Firmensitz nicht nur Sonnenenergie mithilfe von Fotovoltaik, sondern kombiniert diese zusätzlich mit Windenergie: nicht mit riesigen Windrädern, sondern mit zwei Windwalzen, die so auf dem Dach montiert sind, dass sie auch die Aufwinde entlang der Hausmauer verwerten und damit Strom erzeugen. Um die Fluktuation der Sonneneinstrahlung und des Windaufkommens zu überbrücken, hat das Energietechnikunternehmen außerdem eine neuartige Speicherlösung entwickelt, mit der sich bis zu 13 Kilowattstunden Strom speichern lassen. Als zusätzliches Speichermedium kommt selbst produziertes Methangas ins Spiel. Dafür wird in einem ersten Schritt überschüssiger Sonnen- und Windstrom genutzt, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Der Wasserstoff wird dann in einem zweiten Schritt mithilfe von Mikroben und Kohlendioxid in Methan umgewandelt. Dieses kann dann – entsprechend aufbereitet – unter anderem als Treibstoff für die Firmenflotte genutzt werden. Geschäftsführer Alexander Krajete: „Wir hoffen, dieses patentierte Verfahren im Frühjahr umgesetzt zu haben.“ Sein erklärtes Ziel: den ersten energieautonomen Firmensitz Österreichs zu etablieren.

Info

Rund 8000 Gigawattstunden Energie stecken die Wiener Haushalte alljährlich in die Heizung. Das geht aus dem Energiebericht 2018 der Stadt Wien hervor. Mehr als die Hälfte verwendet dafür Gas, etwa ein Drittel hängt am Fernwärmenetz. Erd- bzw. Umgebungswärme wird noch kaum genutzt (0,8 Prozent). Insgesamt nimmt der Energieverbrauch in Wien seit 15 Jahren ständig leicht ab und ist, auf die Einwohnerzahl umgelegt, der niedrigste in ganz Österreich. Jeder Wiener verbraucht im Jahr rund 20.000 Kilowattstunden, der österreichische Durchschnitt liegt bei etwa 36.000 kWh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2019)

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