Baustoffe

Wolle im Dach, Lehm an der Wand

Lehm feiert ein Comeback.
Lehm feiert ein Comeback.(c) imago/CHROMORANGE (imago stock&people)
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Nicht nur Holz, auch Hanf, Flachs, Stroh und Lehm werden wieder vermehrt in der Baubranche verwendet. Ihre Qualitäten sind dabei kaum umstritten – man muss nur Handwerker finden, die sie verarbeiten können.

Früher war sicher nicht alles besser, aber vieles, was einst verwendet wurde, hatte seinen Sinn. Dazu gehören unter anderem Baustoffe, die eine Weile wahlweise völlig in Vergessenheit geraten oder schlicht aus der Mode gekommen waren – in Zeiten des gesundheitsbewussten und klimagerechten Bauens heute aber wieder ein Revival erleben.

Wie viel an Wissen um hochwertige Baustoffe in alten Häusern zu finden ist, hat gerade Gregor Radinger, Leiter des Zentrums für Umweltsensitivität an der Donau-Uni Krems, in seiner Dissertation zum Thema klimaadaptives Bauen mit dem Fokus auf historische Gebäude untersucht. „Dabei ging es konkret um die Frage, wie klimagerecht das österreichische Bauernhaus war“, erklärt Radinger. „Denn gerade in den alten Bauernhäusern findet sich ja die Architektur, die auf der Grundlage vorhandener, manchmal begrenzter Materialien entwickelt wurde und vor allem dazu diente, die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen und des Viehs zu bedienen.“ Das ist im alpinen Raum bekanntlich Holz – ein reichlich zur Verfügung stehendes Material, das inzwischen wieder enorm an Beliebtheit gewonnen hat. „Es steht bei den wiederentdeckten natürlichen Baustoffen an oberster Stelle“, weiß Radinger. „Es kann eine Menge und ist zudem ein nachwachsender Rohstoff.“

Bewährtes Holz

Unbehandeltes oder schonend behandeltes Holz kann – anders als Beton – nicht nur Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben, es hat auch einen angenehmen Geruch, ist leicht sauberzuhalten und von sehr langer Lebensdauer. „Statt alte Häuser einfach wegzureißen, wäre die Ertüchtigung und/oder der Ausbau von bestehenden Gebäuden sinnvoll“, meint Radinger in Bezug auf die beliebte Variante, Altes gegen Neues auszutauschen. „Vor allem, wenn man die über den gesamten Lebenszyklus anfallenden Kosten und Umweltwirkungen von Neu- und Altbauten vergleicht.“

Die Nachfrage nach Holz für Neubauten steigt jedenfalls kontinuierlich, wie Irmgard Matzinger vom Bereich Bauphysik bei der Holzforschung Austria weiß: „Sowohl bei den Einfamilienhäusern als auch im mehrgeschoßigen Wohnbau gibt es immer mehr Projekte“, weiß die Diplomingenieurin. Inzwischen auch zu Preisen, die für private Häuslbauer interessant sind: „Vor allem im Fertigteilhausbau sind Holzhäuser leistbar, es kommt halt wie überall darauf an, welche Anforderungen man stellt.“

Wieder da: Hanf, Wolle und Flachs

Ein anderes Material, das sich derzeit wachsender Beliebtheit erfreut, ist der Hanf. „Hanf ist besonders bei der Dämmung in der Außenwand sehr robust und feuchtigkeitsunempfindlich“, erklärt Bernhard Lipp, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Bauen und Ökologie (IBO). Außerdem eignet er sich hervorragend dazu, Polyurethan bei der Abdichtung von Fenstern zu ersetzen, wenn man denn weiß, wie es geht: „Wir empfehlen, die Fenster zu verschrauben und dann mit Hanfzöpfen abzudichten“, erklärt der Experte. Das funktioniere auch bei Türen und Türstöcken und sei nicht teurer als das Ausschäumen. „Man muss halt nur wen finden, der sich damit wirklich auskennt.“

Bei den Dämmstoffen gehören darüber hinaus im konstruktiven Bereich Schafwolle, Flachs, aber auch Stroh zu den wiederentdeckten Materialien, die nicht nur nachwachsend, sondern vor allem deutlich gesünder sind als Kunststoffe; und auch der gute alte Ziegel wird teils wiederentdeckt, teils weiterentwickelt. „Dazu gehören beispielsweise mit Mineralwolle gefüllte Ziegel“, verweist Lipp auf neue Baumaterialien, die zusätzliche Dämmstoffe überflüssig machen können.

Im Innenbereich feiert derzeit Lehm ein Comeback, und das vor allem an den Wänden. Radinger: „Lehm ist sehr ausgleichend für das Raumklima, da er Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben kann, und damit natürlich auch unter gesundheitlichen Aspekten ein essenzieller Rohstoff.“ Ein Nischenthema sei das Material bei der Konstruktion ganzer Wände aus gestampftem Lehm, wobei die Verschalung und Verarbeitung für hohe Preise sorgen, „denn das Material kostet fast nichts, aber die Arbeitskraft ist teuer“, weiß Radinger.

Ein Dilemma, das auch bei der Verarbeitung des ebenfalls neuen-alten Baustoffs Ton auftritt, weshalb die Holzforschung Austria gemeinsam mit dem deutschen Hersteller Emonton ein neues Produkt entwickelt hat, das das Anbringen des Materials erleichtert. Eine neue Raumklimaplatte aus Ton und Reststofffasern der Papierindustrie bringt die positiven Eigenschaften des Naturmaterials – wie die Regulierung von Feuchtigkeit, die Verringerung von Feinstaub und die Absorption von Schadstoffen – ohne das aufwendige Aufbringen mit. „Die neuen Platten können jetzt einfach an die Wand geschraubt oder geklammert werden“, erklärt Matzinger, die an der Entwicklung beteiligt war. Eine Kombination, die heuer im Oktober mit dem Kooperationspreis des Austrian Cooperative Research ausgezeichnet wurde.

Tipp 1

Tipp 2

Tipp 3

Was zu beachten ist bei . . . Baustoffen

Keinen „Angstzuschlag“ zahlen. Bei Baustoffen, die neu oder wiederentdeckt werden, liegen die höheren Kosten oft weniger am Material, sondern vielmehr an der Arbeitszeit. „Da gibt es bei manchen Handwerkern einen regelrechten ,Angstzuschlag‘, wenn man sich nicht auskennt“, weiß Bernhard Lipp vom Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO). Das kann die Kosten mächtig in die Höhe treiben, weshalb es sich auszahlt, mehrere Kostenvoranschläge einzuholen und genau nachzuhaken.

Wissen, was wo Sinn hat. So schön der Gedanke beispielsweise an einen Lehmboden für den Wein- oder Vorratskeller ist: Wer ohne Betonplatte darunter baut, sollte sich vorher genau über die Bodenbeschaffenheit erkundigen. Vor allem sollte man prüfen, ob es Radon-Vorkommen gibt.

Expertenwissen. Vom 19. bis 21. Februar treffen sich auf dem Wiener Kongress für zukunftsfähiges Bauen, BauZ!, die Experten zum Thema „Baustoffe, die bleiben – Klimagerechte kreislauffähige Architektur“. Infos unter www.bauz.at

Mehr Tipps für Ihre persönlichen Finanzen: www.diepresse.com/meingeld

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2019)

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