Vor der SPÖ-Zentrale marschierten die Kritiker auf. Sie fordern weiter personelle Konsequenzen an der Spitze.
Wien. Kurz nach Mittag blieb vor der Parteizentrale in der Löwelstraße die Müllabfuhr stehen. „Saft laden“ stand auf dem Wagen in großen Lettern geschrieben. Das war natürlich Zufall. Wobei einige der Genossen, die sich vor der SPÖ-Zentrale zum „Flashmob“ trafen, dem wohl zugestimmt hätten.
„Neustart jetzt! Solidarität statt einsame Entscheidungen“ stand auf den Zetteln, die die rund 50 Demonstranten in die Höhe hielten, geschrieben. Diese Nachricht war an SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und ihren Bundesgeschäftsführer, Christian Deutsch, gerichtet. Sie hatten die Basis vor allem mit der per E-Mail mitgeteilten Kündigung von 27 Mitarbeitern der Parteizentrale erzürnt. Deshalb würde man hier in der Kälte, „in der sozialen Kälte“ stehen. Rücktrittsaufforderungen an die Parteiführung skandierte die Gruppe junger Roter keine, sie stimmte lieber die „Internationale“ an. Wobei die Textzeilen „Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!“ in dem Fall ohnehin wie eine Drohung klangen.
Unter die Genossen mischte sich auch das eine oder andere bekannte Gesicht. Rudi Fußi, der umtriebige rote PR-Berater, der zuletzt mit seiner Wutrede auf sich aufmerksam machte, wetterte vor den Kameras gegen die Parteiführung. Aber auch SJ-Chefin Julia Heer, die mittlerweile im Nationalrat sitzt, forderte eine „komplette Neuaufstellung der Partei“ – „sicher auch personell“.
Eine besonders heftige Wortwahl traf Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler. Der parteiinterne Umgang mit Mitarbeitern sei „eine Sauerei“, sagte er und forderte personelle Konsequenzen. Dabei nahm er vor allem den Bundesgeschäftsführer ins Visier. Wer so mit Menschen umgehe, „der kann sich doch nie wieder irgendwo hinstellen und sagen, er sei Sozialdemokrat“, sagte Babler über Deutsch. Auch Rendi-Wagner erklärte er für rücktrittsreif. „Jeden Tag“ gebe es ein „neues Fettnäpfchen“, das nicht nur „aus Ungeschick, sondern auch politischem Unvermögen passiert“.
„Empathisch wie ein Holztisch“
Die Kritiker fixierten an der schweren Holztür der Löwelstraße 18 Flyer und handgeschrieben Zettel. „Ein Schiff, das sinkt, hat keinen Kurs, der stimmt!!!“ stand in Anlehnung an die „Der Weg stimmt“-Aussage von Rendi-Wagner nach der Nationalratswahl darauf genauso wie „Solidarität mit den Genossen“ geschrieben.
Hinter der schweren Holztür fand währenddessen die Betriebsversammlung statt. Diesmal war die Gewerkschaft mit dabei. Ihr wurde zuletzt von der SPÖ-Belegschaft eine gewisse „Beißhemmung gegen die Parteispitze“ vorgeworfen. Denn GPA-Vorsitzende Barbara Teiber leitet eines der Zukunftslabors für die inhaltliche Parteireform. In den stundenlangen Diskussionen versprach die Gewerkschaft Hilfe und Arbeitsberatung. Es soll einen Sozialplan geben. Gewisse Härtefälle dürfte es dennoch geben. Ein Gekündigter wird in den nächsten Wochen Vater. Grundsätzlich betreffen die Kündigungen in erster Linie just jene Abteilung, die für den Bürgerkontakt der SPÖ zuständig ist, die „SPÖ direkt“. Zudem werden Mitarbeiter der Veranstaltungsabteilung abgebaut.
In der Partei ist man noch immer über die an den Tag gelegte Empathielosigkeit entsetzt. Vor allem über jene von Deutsch. Er sei, hört man, „empathisch wie ein Holztisch“. Der Bundesgeschäftsführer selbst verteidigte sein Vorgehen: „In so einer aufgeschaukelten Stimmung und in so einer wirklich schrecklichen Lage, in der wir noch nie waren, kann man nicht sagen, was man anders machen würde, weil wahrscheinlich jede Vorgehensweise die falsche ist.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2019)