Die acht Fotos vom zweiten Tag, diese Serie, mir verschwommen geraten, verändert die Wahrnehmung der drei vom Vortag beträchtlich.
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Die Fleischervitrine auf dem Brunnenmarkt

Heute wieder bei den Lammschädeln gewesen. Etwas besser das Tageslicht, aber der Fleischerbursch unzugänglich, vielleicht nicht der von gestern. Diese Fleischervitrine auf dem Brunnenmarkt – ein fotografisches Stillleben.

Heute, am 30. Juli, zeitig in der Früh, wo dort noch nichts los ist, die Stände erst aufgebaut werden, den Brunnenmarkt aufgesucht, um unlängst dort Entdecktes zu fotografieren, in gleich beschaffenen Exemplaren, sofern nicht nur an Samstagen vorhanden, wiewohl nicht dem besseren Fleisch zuzuzählen – ja, der türkische Fleischerbursch ist da, hat seine Waren, wie man lebendig Gewesenes auch zerhackt nicht gut nennen kann, schon in der doch wohl gekühlten Vitrine gereiht und deren gewölbte Vorderwand geschlossen – wird die für dich nicht in die Höhe klappen, zur Vermeidung von Spiegelungen, und schon gar nicht eins in die Hand nehmen, da du ja nichts davon kaufen willst. abgerückt von Rinderfüßen erstaunlicher Größe liegen deine Objekte aneinandergedrängt wie Schafe bei starkem Regen wie unlängst in der linken Ecke, aber noch an die Glaswand gedrückt. er erlaubt sofort, dass du fotografierst, schaut dir beim Gustieren ernsthaft zu: enthäutete Lammschädel hast du vor dir, rot wie mit anderem Rot ihr karges Kopffleisch schraffiert, die Augen wie unlängst scheinbar hervorgequollen, weil ihre Lider zurückgesunken oder weggetrocknet, aber starr wie zu große Glasaugen, wie Glupschaugen? zusammengebissen die entblößten Zähne, und trotzdem ein Stück Zunge herausgeschlüpft wie während des Kehlschnitts. aneinandergeschmiegt liegen sie da, als schliefen sie mit offenen Augen. ob so anzusehen war der Lammschädel, vor dem Georg Trakl „Unser Herr Jesus Christ!“ ausgerufen haben soll? die großen Augen und die tiefliegenden Wangen. und niemand da, für den einer in weißes Papier eingeschlagen würde. mein Blitzlicht wird sie vermutlich wie Blitze getroffen haben, und mein Gesicht wird ihnen aufliegen, halb verborgen von meinem Nichtschlachtschußapparat.

Heute, am 31., wieder, nicht ganz so zeitig wie gestern, bei den Lammschädeln gewesen, gestern ja nur noch drei Expositionen nutzen können. etwas besser das Tageslicht, aber der Fleischerbursch unzugänglich, vielleicht nicht der von gestern. „Nein, das ist zu gefährlich!“, er nicht der Chef, und da ich mich nicht entferne, deckt er mit einer Blechschüssel die Objekte meiner Begierde zu. „Ich bezahle einen, und dann gehört er doch mir, auch wenn ich ihn nicht mitnehme.“ „Geht nicht!“ „Wann kommt Ihr Chef?“ „Ist im Geschäft!“, und zeigt nach hinten. eine Fleischhauerei, wie in der Innenstadt kaum anzutreffen. trage dem Inhaber meine Bitte vor, er zögert noch, aber da kommt seine Frau, eine sommersprossige Blondine, spricht mit slawischem Akzent und ist offenbar die heimliche Chefin. hört sich an, dass ich gern einen Lammschädel zeichnen würde, dafür aber eine fotografische Vorlage benötige. „Bitte, bedienen Sie sich – fotografieren Sie, was Ihnen gefällt!“, und er begleitet mich, schaut mir kurz zu. eintreten müsst mich der Bursche lassen und am besten solch einen Schädel in der gehobenen Hand halten, aber mit Unverschämtheit es mir mit ihm zu verscherzen?

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