Deine Frisur: Vonihila

Briefe an Amalia:Milchteufel nennen wir Dich nicht mehr. Manchmal aber Quengis Khan.

Vor wenigen Tagen hast Du Dich zum ersten Mal vom Bauch auf den Rücken gedreht. Es kostete Dich einige Anstrengung. Du stütztest Dich auf dem Unterarm auf, ächztest, wackeltest mit Kopf und Oberkörper – und drehtest Dich in Zeitlupengeschwindigkeit. Auf einmal lagst Du auf dem Rücken. Du wusstest nicht so recht, ob Du es gut oder schlecht finden solltest. Deine Eltern allerdings waren unermesslich stolz. Sie hüpften vor Dir. Sie lachten und klatschten. Der Applaus war Dir nicht geheuer: Du weintest. Sie drehten Dich auf den Bauch, Du drehtest Dich wieder auf den Rücken; auch wenn Du abermals kurz weintest, quietschtest Du bald vergnügt. Deine Eltern drehten Dich zurück auf den Bauch. Seither verweigerst Du jegliche Vorführung des neuen Kunststücks.

Als wir mit Dir aus dem Spital nach Hause kamen, nahmen wir uns vor, zwei Büchlein zu führen. In eines trugen wir die Zeiten ein, zu denen Du trankst, wie lange Du gestillt wurdest, und ob Du – und was – ausgeschieden hattest. Besondere Vorkommnisse wurden in Rot verzeichnet. Etwa Milchwahnsinn oder Milchteufeltum. Das war die Zeit, als Du nicht zu trinken aufhören wolltest. Wie eine Drogensüchtige, meinte Deine Mutter. Experten sprechen selbstverständlich von cluster feeding. Danach sahst Du selig weggetreten aus. In das andere Büchlein trugen wir stichwortartig und mit leiser Ironie Dein Verhalten und Tun ein. Nach nicht ganz zwei Wochen ließen wir beide Büchlein vor Erschöpfung geschlossen. (Um bei der Wahrheit zu bleiben, mussten wir sie gerade suchen.) An dem Tag, an dem Du Dich erstmals drehtest, brachtest Du es auch erstmals zuwege, Deinen Schnuller – nach einigen Fehlversuchen – in den Mund zu stecken.

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