„Adele Harms, die Schwägerin des Künstlers“ (1917), Grafische Sammlung Albertina.
Augenblicke

Egon Schiele: Zwischen Begehren und Verzweiflung

Die neue Serie von Michael Horowitz über bildende Kunst.

Bereits im Alter von zwei Jahren zeichnet er Züge, die dampfend durchs Land ziehen. Als Sohn eines Bahnhofsvorstands in Tulln hat er freie Fahrt und steigt später immer wieder abends in den Zug ein, um die Nacht zu erkunden, bis er am Morgen irgendwo einen Gegenzug nimmt, um nach Hause zurückzukehren.

Doch Egon Schiele entflieht bald der Enge des Elternhauses: Die Familie lebt gemeinsam mit einer Dienstmagd auf engstem Raum. Der Bub beobachtet sie, die Mutter und seine drei Schwestern täglich beim An- und Auskleiden. Vater Adolf fährt oft nach Wien, wo er regelmäßig Prostituierte besucht, an Syphilis erkrankt und immer verstörter wird. Zu Hause führt der Patriarch ein strenges Regiment, den Schein bürgerlichen Lebens aufrecht zu erhalten, ist oberstes Ziel. Der Wahnsinn des Vaters eskaliert, er verbrennt im Ofen das Familienvermögen.

Die frühe Begeisterung fürs Zeichnen führt Egon bereits als 16-Jährigen an die Wiener Akademie der Bildenden Künste. Doch sein Professor Christian Griepenkerl, bekannt durch die Ablehnung Hitlers als Student an der Akademie, vertreibt Schiele nach drei Jahren aus der Hochschule: „Sie hat mir der Teufel in die Schule gekackt.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.