"Max Leitner, Ausbrecherkönig“: Das Porträt eines Unbeugsamen

Autorin Clementine Skorpil.
Autorin Clementine Skorpil.Maria Hörmanseder
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Die österreichische Autorin Clementine Skorpil zeigt mit „Max Leitner, Ausbrecherkönig“ eindrucksvoll, wie man Dichtung und Wahrheit perfekt miteinander verbinden kann.

Max ist nicht tot, aber auch nicht lebendig. Es ist schlimmer als tot sein. Er sitzt im Gefängnis. Lebendig begraben.“ In sein Schicksal gefügt hat sich der erwähnte Max aber nie. Nachzulesen ist das im Buch „Max Leitner, Ausbrecherkönig“ der österreichischen Autorin und „Presse“-Lektorin Clementine Skorpil. Fünfmal ist der mittlerweile 61-jährige Südtiroler aus Gefängnissen ausgebrochen, genauso oft wurde er wieder geschnappt. Fast sein halbes Leben hat er hinter Gittern verbracht.

Die Autorin war bislang vor allem für ihre zeithistorischen China-Romane (zuletzt „Langer Marsch“) bekannt. Nun hat sie also einen Mann porträtiert, der noch lebt. Herausgekommen ist dabei ein Buch, das Max Leitner nicht als von der Staatsmacht verfolgten Helden verklärt, wie er sich das wohl selbst wünschen würde. Es wurde vielmehr die außergewöhnliche Geschichte eines Unbeugsamen mit all seinen Licht- und Schattenseiten.

Leitner selbst sieht sich bis heute als ein Justizopfer. Er werde wie ein wildes Tier gejagt, „zu Tode gehetzt“, sagte er 2011 auf der Flucht in einem aufsehenerregenden Video. „Ich habe zwar Banken und Geldtransporter überfallen, jedoch nie einem Menschen ein Haar gekrümmt.“

Mensch und Mythos. Der Mythos des Ausbrecherkönigs – Skorpil erliegt ihm nicht, auch weil sie aus zwei Perspektiven erzählt. Sie stellt Max einen fiktiven Antagonisten, den italienischen Staatsanwalt Fabio Pagano, der sich Leitner an die Fersen heftet, gegenüber. Es ist diese literarische Freiheit, die den Roman von den unzähligen Das-wahre-Leben-Büchern unterscheidet. Vieles ist erfunden. „Dennoch folgt dieser Roman Max Leitners Spuren, und viele der unglaublichsten Episoden haben sich tatsächlich zugetragen“, schreibt die Autorin im Nachwort.

Tatsächlich sind es vor allem die im Buch geschilderten schier unglaublichen Katz-und-Maus-Situationen zwischen Leitner und der ihn verfolgenden Polizei, die zeigen, über welch unbändigen Willen dieser widerspenstige Geist in aussichtslosester Lage verfügte. Es ist eine der großen Stärken der Autorin, dass man sich während der Lektüre oft fragt, was denn nun vom Erzählten wirklich geschehen ist – und was nicht.

Ganz nebenbei gewährt Skorpil einen Einblick in das österreichische und italienische Justiz- sowie Gefängniswesen. Bei seiner ersten Verhaftung in Österreich wird Max von der Polizei angeschossen. Als er sich wundert, warum er noch lebt, erklärt ihm ein Polizist, dass Warn- und Streifschüsse sowie Schüsse, „um den Täter unschädlich zu machen, also Knie, Hand et cetera“, zulässig seien. „Aber wenn einer ex geht bei einer Schießerei, hast du nur Scherereien.“ „Dann hat mir also ein Formular das Leben gerettet“, will Max wissen. „Könnte man so sagen“, antwortet der Polizist todernst.

Das Buch liest sich auch als eine Reise durch die Zeit: Anfang der 1990er-Jahre, als Max erstmals verhaftet wird, haben Computer, Internet und Handys noch nicht bis in die verstaubtesten Schreibstuben der Behörden und komplett in den Alltag Einzug gehalten.

Skorpil hat zudem ein gutes Gefühl für die kleinen Momente. Die Insassen des Gefängnisses in Stein etwa findet Max widerlich. „Einer hat Prostituierte stranguliert. Aber nein, der wurde vor zwei Jahren entlassen, weil er so schön Gedichte geschrieben hat.“ Gemeint ist Frauenmörder Jack Unterweger.

Autorin liest. Am 10. Dezember liest die Autorin im Pen-Club (1., Bankg. 8, 18.30 Uhr) aus ihrem Werk. Zuvor tut sie das bereits am 4. Dezember im Grazer Kriminalmuseum und am 6. Dezember in Brixen im Zentrum für junge Kultur. Begleitet wird sie dabei von ihrem Mann, Helmut, am Akkordeon.

Neu Erschienen

Clementine Skorpil
„Max Leitner, Ausbrecherkönig“
Edition Raetia
312 Seiten
22 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2019)

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