Weniger war definitiv nicht mehr: Die Zehnerjahre brachten in allen Bereichen der Mode die Gewissheit, dass starke, unabhängige Trends nicht mehr existieren. Eine eklektizistische Ära geht zu Ende, die oft echte Originalität vermissen ließ.
Von „faites vos jeux“ zu „rien ne va plus“: Die Zehnerjahre verliefen in der Mode ein bisschen wie ein Kasino-abend am Roulettetisch. Aber das ist natürlich etwas dramatisch ausgedrückt, selbst wenn die international tätige Trendforscherin Li Edelkoort schon 2015 das Ende der Mode orakelt und damit ihrem Überdruss mit dem Laufsteg- und sonstigen Treiben Ausdruck verliehen hat. Solchen Kassandrarufen liegt ein Paradox zugrunde: Auf eine gewisse Art ist die Mode zu Beginn des dritten Jahrzehnts des dritten Jahrtausends lebendiger denn je. Auf der anderen Seite ist der Mut, wahrhaft innovativ zu agieren, seltsam ausgedünnt. Konsumiert, produziert, ausgesondert wird heute ohnehin so, als gäbe es kein Morgen. Und allen Nachhaltigkeitsgelübden zum Trotze gilt die Branche als gigantische Umweltsünderin. Auch das lässt einen in Endzeitstimmung verfallen – allerdings gleich auf das Geschick der ganzen Welt bezogen.
Dabei hat, zumindest aus einer High-Fashion-Perspektive, das Jahrzehnt so gut begonnen: So läutete die Premiere von Phoebe Philo als Chefdesignerin von Céline im Herbst 2010 eine neue Ära ein. Eine kluge Frau entwarf tragbare Mode für ihresgleichen: Anerkennung und (bescheidener) kommerzieller Erfolg waren Philos Kollektionen auf Jahre hinaus beschieden. Bezeichnend für das etwas wahllose Agieren in den Zehnerjahren ist die Regelung ihrer Nachfolge nach Philos Abschied von Céline im Jahr 2017: Ihr folgt Hedi Slimane, der seit zwanzig Jahren mit einem Slim-and-Sexy-Vintagemodemix erfolgreich ist und Kollektionen entwirft, die Lichtjahre von Philos Vision entfernt sind. Das Marketingbudget des verantwortlichen LVMH-Konzerns stimmt aber, und so wird auch das neue Celine (dank Slimane jetzt ohne „é“) zum Kassenschlager.