Junge Frauen, frech, mit zügellosem Mundwerk, kurzen Röcken und kurzen Haaren, nannte man in den roaring Twenties „flapper“.
Rückblick: Die Zehnerjahre

Ein Jahrhundert mit vielen Nullen

Warum hat man begonnen, Geschichte in Zeiträume von zehn Jahren zu zerlegen? Offenbar ist die Beschleunigung aller Lebensbereiche seit 1900 schuld daran, dass wir mit den handlichen Begriffen „zwanziger Jahre“ usw. hantieren. Ob sinnvoll oder nicht.

Geht ein Lebensjahrzehnt seinem Ende entgegen, entwickeln die Menschen die Neigung, intensiv über den Sinn ihres bisherigen Daseins nachzudenken und grüblerisch Bilanz zu ziehen. „Wer im zwanzigsten Jahr nicht schön, im dreißigsten Jahr nicht stark, im vierzigsten Jahr nicht klug, im fünfzigsten Jahr nicht reich ist, der darf danach nicht hoffen“, heißt es in einer von Martin Luthers Tischreden. Das ist schrecklich realistisch. Da darf man sich nicht wundern, wenn allein schon die Vorstellung eines neuen Lebensjahrzehnts einem 29- oder 39-Jährigen eine sorgenvolle Nacht bereitet. Von späteren Dezennien ganz zu schweigen. Kein Wunder, dass viele Neun-Ender zu ungewohntem Verhalten neigen, sie begehen Seitensprünge, lassen sich liften oder kaufen sich plötzlich einen Porsche.

Die Aufspaltung der Geschichte, auch der unseres eigenen Lebens, in Dezennien hat offensichtlich Vorteile. Man erhält eine schöne, überschaubare Einheit, eine runde Zahl, die man an den Fingern zählen kann. Doch wer hat eigentlich damit begonnen, auch die Geschichte in Zeiträume von zehn Jahren zu zerlegen? In alten Chroniken arbeiteten die Schriftgelehrten pflichtbewusst ein Jahr nach dem anderen durch, notierten jeden Brand und jede Seuche, aber es war ihnen völlig egal, dass die 1410er-Jahre von den 1420er-Jahren abgelöst wurden. Der Engländer Samuel Pepys hält in seinem berühmten Tagebuch nicht inne, um über den Übergang von den 1650er- zu den 1660er-Jahren zu sinnieren, obwohl gerade 1660 ein bedeutsames Epochenjahr in der Geschichte der britischen Monarchie war.

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