Beim Klimaschutz geht es stark um die Verteilung der Lasten. Ändern kann sich das nur, wenn die Chance erkannt wird, technologisch Vorreiter zu sein.
Es ist eine für europäische Ohren ungewöhnliche Kritik, die Mitte der vergangenen Woche aus Peking erschallte: Die entwickelten Länder des Westens hätten einen „unzureichenden politischen Willen“, den Klimaschutz zu unterstützen, so der chinesische Vize-Umweltminister Zhao Yingmin im Vorfeld der diesjährigen UN-Klimakonferenz, die am Montag in Madrid startet. Das sei „das größte Problem“ im Kampf gegen den Klimawandel.
Der Westen soll das Problem sein? Und diese Kritik kommt ausgerechnet aus China? Diese zwei Gedanken werden viele haben, die gern darauf verweisen, dass wir jegliche Klimaschutzmaßnahmen auch lassen könnten. Denn erstens machen wir schon genug. Und zweitens hat es keinen Sinn, weil China viel mehr emittiert und ständig neue Kohlekraftwerke baut.
Doch stimmt dieses häufig gezeichnete Bild? Klar ist, dass China seit 2006 der weltgrößte Emittent von Kohlendioxid ist. Damals überholte das Land die USA. Und inzwischen stößt das Reich der Mitte mit zuletzt rund 9800 Millionen Tonnen pro Jahr mehr CO2 aus als EU und USA zusammen. Sieht man sich jedoch die Emissionen pro Kopf an, verändert sich das Bild. Mit einem Ausstoß von etwa sieben Tonnen je Kopf liegt China nach wie vor leicht hinter der EU, die USA sind mit 16 Tonnen weiter der unrühmliche Spitzenreiter. Zudem hat China zwar in den Nullerjahren einen rasanten Anstieg bei den Emissionen hingelegt, seit 2011 stagnieren sie jedoch.
Grund dafür ist eine Offensive Pekings für erneuerbare Energien und Atomkraft. Heute steht bereits jedes dritte Windrad und jede vierte Fotovoltaikanlage der Welt irgendwo zwischen Shanghai und Chengdu. Der Anteil von Kohle an der Stromerzeugung wurde in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozentpunkte auf unter 60 Prozent gesenkt. 2020 soll für Energieversorger ein Handelssystem mit CO2-Zertifikaten starten.
Trotz dieser Fortschritte verbrennt China aber natürlich weiterhin eine ungeheure Menge an fossilen Rohstoffen, um den wirtschaftlichen Aufholprozess am Laufen zu halten. Denn auch wenn sie aufgrund des Klimawandels in Verruf geraten sind: Nur dank Öl, Gas und Kohle hat die Menschheit ihre in der Geschichte bisher einmalige Entwicklung während des 20. Jahrhunderts geschafft. So hat sich die Weltbevölkerung seit 1900 vervierfacht, und dennoch haben Milliarden Menschen einen Lebensstandard erreicht, der zuvor nur den Reichsten der Reichen vorbehalten war. Allerdings zu dem Preis, dass die Welt von heute klimatechnisch bereits gleich weit vom 18. Jahrhundert entfernt ist, wie das 18. Jahrhundert von der letzten Eiszeit entfernt war, wie der britische „Economist“ jüngst eindrucksvoll vorrechnete.