Studie

Entstigmatisierung des Scheiterns

(c) Clemens Fabry
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Reform des Privatkonkurses nützt vor allem gescheiterten Unternehmern.

Wien. Menschen, die ein unternehmerisches Risiko auf sich nehmen, sind in unserer Gesellschaft dünn gesät. Das hängt unter anderem mit der sogenannten Kultur des Scheiterns zusammen. Diese dürfte sich in jüngster Zeit in Österreich gebessert haben. Das geht aus einer Langzeitstudie der Schuldnerberatung hervor.

Die ASB, die Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen, führt seit zwanzig Jahren vergleichende Untersuchungen durch, um die Gruppe gescheiterter Selbstständiger zu beobachten. Die aktuellsten Ergebnisse aus dem Untersuchungsjahr 2018 zeigen: Selbstständigkeit ist bei 29 Prozent der Klienten ein Überschuldungsgrund, dieser Wert ist seit 2013 deutlich gestiegen. Nummer eins bei den Überschuldungsgründen bleibt Arbeitslosigkeit. Wobei 29 Prozent der Befragten vor der Unternehmensgründung arbeitslos waren und 41 Prozent nach dem Scheitern der Selbstständigkeit in die Arbeitslosigkeit fielen.

Nach dem Scheitern eines Unternehmens bleiben aufgrund von Haftungen und Bürgschaften oft auch hohe persönliche Schulden. Für viele gescheiterte Selbstständige sei dann „der Privatkonkurs der letzte und einzige Ausweg“, erklärt ASB-Geschäftsführer Clemens Mitterlehner.

„Existenzminimum anheben“

Seit der Reform des Privatkonkurses Ende 2017 ist die Entschuldung schon nach fünf Jahren und ohne Mindestquote in der Rückzahlung möglich. Bei 58 Prozent der befragten gescheiterten Selbstständigen wäre der Privatkonkurs ohne diese Reform nicht machbar. Bei jenen, die länger als 15 Jahre selbstständig waren, gilt das sogar für 73 Prozent. „Das zeigt die von uns erwarteten positiven Effekte der Privatkonkursreform, wenn ein großer Teil einer ohnehin stark armutsgefährdeten Gruppe endlich die Chance auf einen Neustart bekommt“, sagt Mitterlehner.

Die Schuldenberatungen haben einen Forderungskatalog erarbeitet, einige der dort genannten Maßnahmen betreffen speziell gescheiterte Selbstständige. Ein Beispiel: Jemand hat Schulden bei der SVA und bekommt eine Pension von der PVA. Hier darf sich die SVA direkt einen Teil der Pension von der PVA holen. Diese Aufrechnung darf auch unter das Existenzminimum gehen und auch während und nach Ende des Privatkonkurses betrieben werden. „Die Restschuldbefreiung, die für alle anderen am Ende des Privatkonkurses und bei Einhaltung der Regeln selbstverständlich ist, greift hier für ehemals Selbstständige nicht“, erklärt Mitterlehner. „Wir fordern, dass alle Aufrechnungen mit Eröffnung des Privatkonkurses beendet werden.“

Stichwort Existenzminimum: Dieses liegt aktuell für eine alleinstehende Person bei 933 Euro (Grundbetrag). Die Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 1259 Euro. Mitterlehner: „Das Existenzminimum muss zumindest bis auf die Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden.“ (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2019)

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