Der Versuch einer Rettung der finnischen Fünf-Parteien-Koalition

Antti Rinnes Regierung steht nach einem halben Jahr vor dem Aus.
Antti Rinnes Regierung steht nach einem halben Jahr vor dem Aus.APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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Die Liberalen entziehen Ministerpräsident Antti Rinne das Vertrauen. Er tritt nach sechs Monaten im Amt zurück. Die Koalitionsparteien suchen nach Wegen weiterzuregieren.

Sechs Monate nach seiner Amtsübernahme hat der finnische Ministerpräsident Antti Rinne seinen Rücktritt erklärt. Der Sozialdemokrat reichte am Dienstag wegen eines Streits mit seinem wichtigsten Koalitionspartner das Rücktrittsgesuch seiner Regierung bei Präsident Sauli Niinistö ein. Rinne begründete den Rücktritt mit dem Wunsch, die Fünf-Parteien-Regierung zu retten.

"Alle Parteien in der Regierung stehen hinter dem Regierungsprogramm. Wenn meine Rolle als Ministerpräsident dieses Programm in Gefahr gebracht hat, dann ist es besser, dass ich zurücktrete", sagte der 57-Jährige in einer Pressekonferenz. Die liberale Zentrumspartei hatte zuvor öffentlich erklärt, dass sie ihr Vertrauen in Rinne verloren habe. Hintergrund war ein Streit um Niedriglohn-Jobs bei der teilstaatlichen finnischen Post, in dem sich der frühere Gewerkschaftsführer Rinne an die Seite der Beschäftigten gestellt hatte.

Die Entwicklungen in Helsinki sind für den Rest Europas auch deshalb von Bedeutung, weil Finnland noch bis Ende des Jahres den EU-Ratsvorsitz innehat. Niinistö nahm Rinnes Rücktritt an, bat ihn aber, bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt zu bleiben. Mit seinem Rücktritt kam Rinne einem Sturz durch das Parlament zuvor, das am Dienstagnachmittag über einen Misstrauensantrag der konservativen Opposition befinden sollte.

„Das wird eine Narbe hinterlassen"

Bis zum vergangenen Freitag seien noch alle mit seiner Arbeit zufrieden gewesen, sagte Rinne. Dies habe sich über das Wochenende dann an einer entscheidenden Stelle geändert: "Alle Parteien in der Regierung haben Vertrauen in mich gehabt außer die Zentrumspartei", so Rinne. Zur Zusammenarbeit mit der Zentrumspartei nach dem Ärger sagte er: "Das wird eine Narbe hinterlassen. Aber wir werden eine Salbe drauf tun."

Nun müsse mit den bisherigen fünf Koalitionsparteien eine neue Einigung erzielt werden, um das Regierungsprogramm fortzuführen, sagte Rinne. Es gehe nicht darum, wer Regierungschef sei, sondern auf welche Weise und in welche Richtung sich das Land bewege, betonte er. Seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin werde er unterstützen. Es gebe viele sachkundige Kandidaten dafür, fügte er hinzu. Zugleich betonte er, dass er noch bis zum Parteitag im Sommer 2020 Chef der finnischen Sozialdemokraten sei.

Als Favoritin für die Nachfolge Rinnes gilt die Vizechefin der Sozialdemokraten, Sanna Marin. Die Verkehrsministerin erklärte am Dienstagvormittag, dass sie zur Übernahme des Postens bereit wäre, wenn man sie darum bitte. Mit 34 Jahren wäre Marin die jüngste Regierungschefin in der Geschichte Finnlands - nur ein Jahr älter als der österreichische ÖVP-Chef und derzeit Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Post-Reform brachte Koalition ins Schleudern

Rinnes Rücktritt war ein mehrwöchiger Streit um die Reform der finnischen Post vorausgegangen, die für 700 Beschäftigte niedrigere Löhne bedeutet hätte. Der Plan wurde nach heftigen Protesten begraben, allerdings wollten die Gewerkschaften wissen, ob die Regierung als einziger Anteilseigner die Reform gebilligt hatte. Rinne dementierte Ende November, dass die Regierung einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei der Post zugestimmt habe. Die Post-Spitze warf ihm daraufhin Lügen vor. Wegen der Affäre hatte auch die für Gemeinden und Verwaltungsreformen zuständige Ministerin Sirpa Paatero zurücktreten müssen.

Der Regierungskoalition in Finnland gehören neben den Sozialdemokraten und dem Zentrum außerdem Grüne, Linke und die Schwedische Volkspartei - der Partei der schwedischsprachigen Minderheit - an. Die Regierungskrise hatte sich am späten Montagabend zugespitzt, als die Zentrumspartei erklärte, das Vertrauen in einen Regierungsvertreter verloren zu haben. Auch wenn sie Rinne nicht persönlich nannte, war klar, dass damit der Ministerpräsident gemeint war.

Am Dienstagvormittag machte der Klubchef der Partei, Antti Kurvinen, dies auch öffentlich. "Wir haben ihm das schon zum dritten Mal gesagt, zwei Mal gestern und jetzt noch einmal", sagte er. Auch die Zentrumspartei will, dass die Regierung weiter Bestand hat - nur eben nicht mit Rinne an der Spitze. In der Frage nach Rinne war sich aber auch das Zentrum nicht einig: Medienberichten zufolge soll der bürgerliche Flügel um Rinnes Vorgänger Juha Sipilä hinter dem Sturz des Regierungschefs stecken.

(APA/Reuters/AFP/dpa)

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