Nato "hirntot"? Trump geht mit Macron hart ins Gericht

Macron (li.) und Trump beim G7-Gipfel in Biarritz im August 2019.
Macron (li.) und Trump beim G7-Gipfel in Biarritz im August 2019.REUTERS
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Der "Hirntod-Sager" des französischen Präsidenten sei "böse" und "gefährlich“, erklärt US-Präsident Trump. Gerade Frankreich brauche die Nato.

Zum Auftakt des Nato-Gipfels in London hat US-Präsident Donald Trump den französischen Staatschef Emmanuel Macron scharf kritisiert. Die Militärallianz zu ihrem 70-jährigen Bestehen als hirntot zu bezeichnen, sei "böse", "beleidigend" und "gefährlich", sagte Trump am Dienstag in der britischen Hauptstadt. Die Nato diene nach wie vor einer großen Sache und sei viel flexibler geworden.

Frankreich brauche die Nato wie kein anderer. Die USA dagegen profitierten am wenigsten von dem Bündnis. "Wir helfen Europa", sagte der US-Präsident. An die Adresse der deutschen Regierung gerichtet bekräftigte Trump, Deutschland trage in der Nato keinen fairen Anteil an den Lasten. Die USA zahlten "viel zu viel", sagte Trump moch am Montag im Garten des Weißen Hauses vor seinem Abflug in die britische Hauptstadt.

Trump bringt das Thema Verteidigungsausgaben immer wieder auf und ist deswegen mehrfach auf Konfrontationskurs mit den Partnern gegangen. Um das Risiko eines neuen Eklats beim Treffen der Staats-und Regierungschefs am Dienstag und Mittwoch zu mindern, hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Trump am Freitag nach oben revidierte Zahlen zu den Verteidigungsausgaben der Alliierten präsentiert. Demnach wird sich die Summe der Mehrausgaben der europäischen Nato-Staaten und Kanadas von Anfang 2016 bis Ende 2020 auf 130 Milliarden US-Dollar (118 Mrd Euro) belaufen.

Erdogan droht mit Veto

Die Türkei hat unterdessen die Blockade von Nato-Hilfsgeldern für baltische Staaten angekündigt, sollte sich das Militärbündnis nicht der türkischen Sicht über Terrorgefahren anschließen.

"Wenn unsere Freunde bei der Nato nicht jene als Terror-Organisationen betrachten, die wir als Terror-Organisationen betrachten, werden wir uns gegen jeden Schritt stellen, der dort gegangen werden soll", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag in Istanbul vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel in London.

Seine Worte zielen offensichtlich auf die kurdische Miliz YPG ab, die von der Türkei als Terror-Organisation eingestuft wird, zugleich aber ein Hauptverbündeter der USA im Kampf gegen die Islamisten-Miliz IS in Syrien war. Die Türkei hatte im Oktober eine Offensive gegen die YPG in Nordosten Syriens gestartet, was von mehreren NATO-Ländern scharf kritisiert worden war.

Türkische Sicherheitskreise hatten am Montag darauf verwiesen, dass die Türkei in der Nato ein Vetorecht habe. Als "Erpressung" sei die mögliche türkische Ablehnung von Nato-Hilfen für baltische Länder und Polen beim Thema Verteidigung aber nicht zu verstehen.

Erdogan sagte in Istanbul, er habe am Montag mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda telefoniert und sich bereit erklärt, bei dem Nato-Treffen in London mit Duda und seinen Amtskollegen aus den baltischen Ländern zusammenzukommen.

70 Jahre Nato

In London begehen die Staats- und Regierungschefs der 29 Nato-Staaten am Dienstag und Mittwoch das 70-jährige Bestehen des westlichen Verteidigungsbündnisses. Angefacht durch die umstrittene Äußerung Macrons über einen "Hirntod" der Nato, dürfte die Debatte über die Zukunft der Allianz eine wichtige Rolle bei der zweitägigen Begegnung spielen. Aufgeschreckt durch Macrons Urteil sind vor allem osteuropäische Staaten, die die Nato aus Angst vor Russland als Überlebensgarantie sehen. Gleich im ersten Teil der "London-Erklärung", die die Nato-Regierungschefs verabschieden wollen, werde deshalb die Bedeutung der Beistandsverpflichtung (Bündnisfall) nach Artikel fünf des Nordatlantikvertrages von 1949 erwähnt, heißt es in deutschen Regierungskreisen.

Doch auch Verteidigungsausgaben sowie der türkische Einmarsch in Syrien dürften zur Sprache kommen. Am Rande der Begegnung in Watford bei London sind zudem mehrere bilaterale Treffen geplant, so von Trump mit Macron und mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am Dienstagabend werden die Staats- und Regierungschefs von Königin Elizabeth II. im Buckingham Palast empfangen.

(APA/Reuters)

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