Der Ruf nach einem „Chancenindex“ in der Schulfinanzierung wird lauter. Und: Die SPÖ findet, Österreich solle sich Asien zum Vorbild nehmen.
Wien. Die zwei (voraussichtlichen) Oppositionsparteien sind sich in einem Punkt einig: Das Abschneiden Österreichs beim Pisa-Test unterstreicht aus Sicht von SPÖ und Neos die Forderung nach einer Schulfinanzierung, die den Förderbedarf der Kinder in Rechnung stellt. Kurz: Rot und Pink wollen einen „Chancenindex“.
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Auch die Arbeiterkammer (AK) macht sich dafür stark: Denn gerade für Kinder aus bildungsärmeren Familien sei die Schulwahl eine Schicksalsfrage. Wenn viele Kinder, die zusätzliche Förderung bräuchten, die gleiche Schule besuchten, käme das Lehrpersonal nicht mehr nach. Dass Österreich im Spitzenfeld bei der Benachteiligung von Kindern aus finanziell schwächeren Familien sei, „ist unerträglich“, so AK-Präsidentin Renate Anderl.
Ähnlich lautet die Diagnose der Grünen: Besonders bitter sei, dass Österreich in puncto Chancengerechtigkeit nach wie vor schlecht abschneide, so Nationalratsabgeordnete Sibylle Hamann. „Österreich gehört zu jenen Ländern, in denen Bildung am stärksten vererbt wird. Daher ist auch hier der Hebel anzusetzen, wenn wir eine echte Trendwende anstreben.“
Von Asien lernen: Das vor allem lernt SPÖ-Bildungssprecherin (und frühere -ministerin) Sonja Hammerschmid aus Pisa. „Die herausragende Ergebnisse in einigen asiatischen Regionen zeigen, was möglich ist, wenn Bildung gesellschaftlich und politisch einen hohen Stellenwert hat.“ Dass es beim Lesen so viel „Luft nach oben“ gebe, liegt für Hammerschmid auch daran, dass „die Anstrengungen, die im Schulsystem in den letzten Jahren für die Leseförderung unternommen wurden, offenbar von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und der zunehmenden Smartphone-Nutzung schon bei jüngeren Kindern konterkariert werden“.
Ziele jenseits der Parteigrenzen
Anders sehen das die Neos: „Dass immer noch fast jeder vierte Jugendliche nicht ausreichend sinnerfassend lesen kann, ist eine Katastrophe für jeden einzelnen jungen Menschen und eine Schande für die Politik, die es nicht schafft, gemeinsam an einem Strang zu ziehen“, sagt Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Sie fordert eine parteiübergreifende Bildungsagenda 2030 – und Ziele, die über die Legislaturperioden hinaus verbindlich sind.
Fast gelassen reagierte dagegen ihr FPÖ-Pendant Hermann Brückl: Die Pisa-Resultate zeigten keine Veränderung, aber große Probleme in der Integration: „Österreich dümpelt nach dieser Studie eigentlich nur hinterher.“ Auch die Industriellenvereinigung (IV) gab sich entspannt: Man sehe „wenig Überraschendes, keine klaren Abwärts- oder Aufwärtstrends, bei Pisa, also nichts Neues“, so der Leiter des Bereichs Bildung und Gesellschaft, Christian Friesl. Die IV plädiert vor allem für „gemeinsame Mindeststandards in den Kulturtechniken, die alle 14-Jährigen verlässlich erreichen sollen“. Man will einen Grundbildungsnachweis nach der Pflichtschulzeit.
Positives gewinnt gar die Wirtschaftskammer (WKÖ) der Pisa-Erhebung ab: Es sei erfreulich, dass die Geschlechterkluft in den Naturwissenschaften fast geschlossen wurde. Mädchen erreichten 2018 praktisch den gleichen Punktewert wie Burschen. „Das zeigt, dass sich die Anstrengungen lohnen und wir den Weg hin zu mehr Mint-Schwerpunkten in der Schule weitergehen müssen“, so die WKÖ-Generalsekretärin Mariana Kühnel. Denn diese Fächer seien „zukunftsentscheidend für unseren Wirtschaftsstandort“. (red.)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)