Boxen

Wettstreit von Wüstenstaaten um Weltmeister

John Ruiz jr. lässt sich die Box-WM in Riad hoch entlohnen, PR-Auftritte inklusive.
John Ruiz jr. lässt sich die Box-WM in Riad hoch entlohnen, PR-Auftritte inklusive. (c) Action Images via Reuters (ANDREW COULDRIDGE)
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Sportevents sind nicht länger nur Abu Dhabis, Katars und Dubais Schmuck, auch Saudiarabien startet dieses millionenschwere Prestige-Business.

Riad. Wenn der Amerikaner John Ruiz jr. und der Brite Anthony Joshua am Samstag (2 Uhr, live Dazn) im Rückkampf um die Box-WM der IBF, WBA, WBO und IBO aufeinander einschlagen, dann ist vieles anders, als es beide kennen. Das erste Aufeinandertreffen hatte Ruiz Anfang Juni in New York durch technisches K. o. in der siebenten Runde überraschend gewonnen. Mit ihrem zweiten Duell betritt die Szene allerdings Neuland: Erstmals wird um den Schwergewichtsthron in Riad, im islamisch-konservativen Saudiarabien, gekämpft. In der Wüste der Arabischen Halbinsel, wo so ein Kampf einst als undenkbar galt.

Das Königreich erlebt einen Wandel, der das lang nach außen abgeschottete Land liberalisieren soll. „Clash on the Dunes“ (Kampf in den Dünen) soll das beschleunigen. Das klingt wie „Rumble in the Jungle“, der legendäre Fight zwischen George Foreman und Muhammad Ali 1974 in Kinshasa. Es ist wieder Polit-PR, es geht erneut um viel Geld – nur die Gegenwart ist im Vergleich mit der Vergangenheit nur Fallobst.

Ruiz und Joshua steigen in Dirijah in den Ring, wo einst der erste Palast der Königsfamilie Al Saud stand. Dort haben die Veranstalter eine Arena für 15.000 Zuschauer bauen lassen. 100 Millionen Dollar, heißt es, wurden für das Spektakel auf den Tisch gelegt. Es ist aber nur eines von vielen Sportevents: Formel E, italienisches Supercup-Finale, spanisches Fußballturnier – Saudiarabien stellt sich damit in Konkurrenz zu Katar (WM 2022), Abu Dhabi (F1) und Dubai (Golf etc.)

Es ist Teil eines Programms, das Kronprinz Mohammed bin Salman „Vision 2030“ nennt. Damit will er das Land umbauen, unabhängiger vom Öl machen – liberaler präsentieren. Dafür hat er Saudiarabien eine gesellschaftliche Öffnung verordnet. So dürfen Frauen seit 2018 Auto fahren. In den Einkaufszentren sieht man sie mittlerweile ohne Kopftuch, früher war das ein Tabu. Internationale Popstars treten auf.

Der Sport dient jedoch auch als bestes Mittel im politischen Konflikt mit Katar. Vor zwei Jahren haben Riad und seine Verbündeten eine Blockade über das benachbarte Emirat verhängt. Als Vorwand diente die angebliche Unterstützung für den Terrorismus. Das Emirat hat sich mit seinem Reichtum aus dem Gasexport zu einem einflussreichen Akteur in der internationalen Sportszene entwickelt und trägt 2022 die Fußball-WM aus – was Saudiarabien mit Argusaugen betrachtet. Riad hat sich als Ziel gesetzt, Katar den Rang abzulaufen. Sogar von Olympischen Spielen spricht man, das IOC hört diese Ideen gern.

Riad geht es um PR, Tourismus, Werbung – um eine ganz eigene Rolle. Widerworte duldet die Führung nicht. Der Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul liegt weiter wie ein dunkler Schatten über dem Land. Der Kronprinz steht unter Verdacht, in die Tat verwickelt zu sein. Diesen konnte man bislang nicht entkräften – mag das Oud-Parfüm noch so süßlich duften, mögen die Boxer auch unermüdlich aufeinander eindreschen. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)

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