Gastkommentar

Was Frauen vom Finanzmarkt lernen können

Der Finanzmarkt ist stärker reglementiert, die Anleger sind besser geschützt als die meisten Mütter. Das muss sich dringend ändern. Frauen sollten aber jedenfalls in sich und ihre Ausbildung investieren.

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Wir führen seit Längerem eine Diskussion über die Themen Chancengleichheit, Gleichberechtigung und die Schließung des Gender Pay Gap. Diskutieren allein hat noch nichts geändert und frau fragt sich: Was läuft eigentlich so schief? Die durchschnittliche monatliche Pension einer Frau in Österreich liegt derzeit bei 1107 Euro. Das bedeutet mehr oder weniger Altersarmut. Ursache ist die Rollenverteilung. Laut Statistik arbeiten 77 Prozent der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit, weil Kinderbetreuung und Vollzeitarbeit als unvereinbar gelten. Die Kinderbetreuung ist also zu einem finanziellen Risikofaktor oder einem privaten Luxusgut geworden. Denn eine solche Betreuung kann sich nur jene Frau leisten, die nicht von ihrer eigenen Erwerbstätigkeit abhängig ist. Wenn sie finanziell von ihrem Partner abhängig ist, kann das gut gehen, muss es aber nicht – die Scheidungsrate liegt derzeit bei 41 Prozent. In der Finanzbranche würde man das übrigens ein Klumpenrisiko nennen, die rechtliche Absicherung der Mütter entspricht ungefähr der Qualität einer „Schrottanleihe“.

Wertvoll wie „Schrottanleihe“

Auch das öffentliche Schulsystem führt die Frauen an der Nase herum. Als 1774 die Schulpflicht von Maria Theresia eingeführt wurde, wehrten sich die Bauern und Handwerker dagegen, dass man ihnen Arbeitskräfte entzog. Es wurde ein Kompromiss gefunden, der dem handwerklichen und bäuerlichen Arbeits- und Jahresrhythmus entsprach: Halbtagsschule und Sommerferien. Aber wie soll eine erwerbstätige Frau heute mit ihrem gesetzlichen Urlaubsanspruch die 14 Wochen Schulferien der Kinder mit ihrem Beruf vereinbaren? Eine Erwerbstätigkeit, die mit dem öffentlichen Schulsystem kompatibel ist, bedeutet für Frauen jahrelange Einkommens- und Pensionsverluste. Auf dem Finanzmarkt würde man übrigens den stattlichen Erwerbs- und Pensionsvorteil der Männer als Arbitrage – das risikolose Ausnützen von Marktineffizienzen – bezeichnen.

Oft wird argumentiert, dass es die Freiheit der Frau sei, in Teilzeit zu arbeiten. Freiheit bedeutet aber, die volle Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen. Selbst der Finanzmarkt ist stärker reglementiert, und die Anleger sind besser geschützt als die Mütter in Österreich. Zum Beispiel: Laut Gesetz darf ein Anleger (mehrheitlich Männer) innerhalb eines Jahres nicht mehr als 5000 Euro in ein Crowdfunding-Projekt investieren. Eine Mutter darf aber jeden Monat einen (Groß-)Teil ihres potenziellen Einkommens aufs Spiel setzen und einen beträchtlichen Pensionsverlust in Kauf nehmen.

Apropos Gleichberechtigung und moderne Rollenverteilung: Wenn wir die Ehe mit einem festen Wechselkurs vergleichen und die Rolle des Mannes mit einem ständig wachsenden Leistungsbilanzdefizit, dann kann der Wechselkurs nur halten, wenn entsprechend Devisenreserven abgeschöpft werden. Das geht natürlich nur, solange diese vorhanden sind. Oder aber man lässt den Wechselkurs einfach abwerten. So viel zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe – von der wir finanziell weit entfernt sind.

Wir könnten mehr von den Kräften auf den Finanzmärkten lernen und von der peniblen Finanzmarktaufsicht, die den kleinen Anleger protektiv bevormundet. Entweder der Gesetzgeber korrigiert bei der Arbeit von Frauen dieses „Marktversagen“, oder Frau muss das selbst in die Hand nehmen, sprich in ihre Aus- und Weiterbildung, ihre finanzielle Unabhängigkeit und in ihre Kinderbetreuungsinfrastruktur investieren. Schon US-Unternehmer Warren Buffet sagte. „Das beste Investment, das du machen kannst, ist in dich selbst.“

Natalia Corrales-Diez, Geschäftsführerin des Fund of Excellence, einem Fonds, der Frauen eine Finanzierung für Kinderbetreuung, Aus- und Weiterbildung ermöglicht.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)

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