Großbritannien

Der unbelehrbare Skandalprinz

Prinz Andrew in Misskredit.
Prinz Andrew in Misskredit.(c) APA/AFP/MAFA/STRINGER (STRINGER)
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Die Missbrauchsaffäre um Prinz Andrew treibt das britische Königshaus in immer größere Turbulenzen.

London/Wien. Als „Annus horribilis“ – als schreckliches Jahr – bezeichnete Königin Elisabeth das Jahr 1992, als ihr Schloss in Windsor abbrannte und drei ihrer vier Kinder in Ehekrisen oder Scheidungen steckten. Es geht aber noch schlimmer: Im Jahr 2019 scheint der Schrecken für das britische Königshaus nicht und nicht vorüberzugehen. Kaum scheint ein Tiefpunkt erreicht, geht es noch eine Etage weiter nach unten.

Die Vorwürfe gegen Prinz Andrew, das dritte Kind der Queen, reißen nicht ab: Virginia Giuffre bekräftigte am Montagabend den Vorwurf, sie sei als 17-jährige Frau zum Sex mit Andrew gezwungen worden. Sie erzählte der britischen Öffentlichkeit, wie sie mit dem US-Multimillionär Jeffrey Epstein und dessen Freundin, der Britin Ghislaine Maxwell (die man heute als It-Girl bezeichnen würde), nach London reiste. Maxwell habe ihr erklärt, was in Bezug auf Andrew zu tun sei. „Ich wusste, ich musste ihn glücklich machen“, so Giuffre, die damals noch Roberts hieß.

Andrew stand in Kontakt mit dem Geschäftsmann Epstein, verbrachte immer wieder Tage in dessen New Yorker Stadthaus und auf anderen Anwesen. Dort soll Andrew auch mitbekommen haben, dass Epsteins Gästen eine Schar von sehr jungen Frauen für Massagen zur Verfügung gestanden sei, das erklären weitere Opfer Epsteins.

Mitte November war Andrew an der Reihe, der britischen Öffentlichkeit seine Sicht der Affäre Epstein zu erklären. Das Gespräch mit Giuffre war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgezeichnet. Andrew entschied sich offenbar relativ kurzfristig, der BBC ein Interview zu geben – und das sollte unbedingt vor jenem mit dem mutmaßlichen Opfer ausgestrahlt werden. Mit diesem PR-Desaster, das einen uneinsichtigen, überheblichen Royal zeigte, der seine Freundschaft mit einem wegen sexuellen Missbrauchs beschuldigten, einst einflussreichen Amerikaner verteidigte, ging das Kreuzfeuer erst richtig los.

Immer wieder sorgte der (angebliche) Lieblingssohn der Queen mit seinen Eskapaden für Unruhe auf dem Königshof: Mit 22 Jahren wurde er als Hubschrauberpilot zum Helden im Falkland-Krieg. Er galt als begehrter Junggeselle, der kaum eine Party ausließ. Mit seiner Wahl an Freundinnen sei die Queen alles andere als einverstanden gewesen. Durch die Heirat mit Sarah Ferguson, mit der er seine beiden Töchter Beatrice und Eugenie hat, kehrte ein wenig Ruhe ein. Doch diese Verbindung hielt nicht lang.

Nach der Scheidung tauchten in den Zeitungen wieder Bilder des Prinzen auf, wie man ihn kannte: mit Sektflöte in der Hand und mit einer leicht bekleideten Dame am Arm. Der „Party-Prinz“ war einer der schmeichelhafteren Spitznamen, die sich die Boulevardpresse für ihn ausgedacht hatte. Der zweite Sohn der Königin, welche Rolle sollte ihm schon zufallen, meinten Hof-Biografen wie Andrew Morton überspitzt: Er müsse von Party zu Party ziehen, sonst sei nichts für ihn zu tun. Ähnlich sei es auch Prinz Harry ergangen, dem jüngsten Spross des Thronfolgers Prinz Charles.

Schwarzes Schaf und Partylöwe

Bei der Wahl seiner Geschäftsfreunde hat Andrew ebenfalls wenig (oder kein) gutes Gespür gezeigt: Für den Schwiegersohn des tunesischen Ex-Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali gab er im Buckingham-Palast ein Dinner, drei Monate bevor das Regime gestürzt wurde. Gute Kontakte unterhielt er auch mit dem Sohn des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, Saif-al Islam (der übrigens auch in Österreich diverse gute Kontakte unterhielt).

Dass Andrew seine Freundschaft zu Jeffrey Epstein verteidigte, der sich heuer im August nach den Missbrauchsvorwürfen in einer New Yorker Zelle erhängt hat, könnte für Andrew nun aber schwerwiegende Folgen haben. Die Anwälte der Epstein-Opfer wollen, dass der Royal, der vorerst keine royalen Aufgaben mehr übernehmen darf, in den Zeugenstand gerufen wird. Das wäre dann ein weiterer Tiefpunkt in der Biografie eines Skandalprinzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2019)

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