Viel Solidarität: Turner-Preis geht an alle nominierten Künstler

"Collective Conscience", ein Werk des kolumbianischen Künstlers Oscar Murillo.
"Collective Conscience", ein Werk des kolumbianischen Künstlers Oscar Murillo.APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Ein ungewöhnliches Ansinnen und eine ungewöhnliche Entscheidung: Als Statement der "Gemeinsamkeit, Vielfalt und Solidarität“ wünschten sich die Nominierten einen gemeinsamen Preis.

Die diesjährige Vergabe des Turner-Preises für moderne Kunst hat in der Kunstwelt für Furore gesorgt: Erstmals wurde der wichtigste britische Preis für moderne Kunst an alle vier nominierten Künstler vergeben. Ausgezeichnet wurden Helen Cammock, Tai Shani, Lawrence Abu Hamdan und Oscar Murillo.

Die zwei Frauen und zwei Männer hatten die Jury in einem Brief darum gebeten, den Preis teilen zu dürfen, als Statement der "Gemeinsamkeit, Vielfalt und Solidarität in einer Zeit der politischen Krise". Sie wollten damit nach eigenen Angaben ein Zeichen setzen "in einer Ära, die vom Aufstieg der Rechten und von der Erneuerung des Faschismus geprägt" sei.

"Kommt der Wettbewerb in der Kultur aus der Mode?"

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ein renommierter Kultur-Preis entgegen der Konvention an mehrere Nominierte vergeben wird. Im Oktober erst wurden die Schriftstellerinnen Bernardine Evaristo und Margaret Atwood gemeinsam mit dem Booker-Preis geehrt. Damals allerdings, weil sich die Jury partout nicht entscheiden konnte (oder wollte). Nun hieß es am Mittwoch in einem BBC-Bericht: "Kommt der Begriff des Wettbewerbs in der Kultur aus der Mode?"

Mit ihrer Bitte hätten sie der Jury eine Menge zu denken gegeben, sagte deren Vorsitzender und Direktor der Tate Britain, Alex Farquharson, bei der Verleihung des Turner-Preises. Aber es sei "sehr im Geiste des Werkes dieser Künstler, Konventionen herauszufordern, polarisierten Weltsichten zu widerstehen und andere Stimmen zu vertreten". Die Tageszeitung "Guardian" lobte die Aktion und befand, die Spielregeln zu untergraben, sei es, was von Künstlern erwartet werde.

Wettbewerb spaltet, so die Künstler

Ihr Werk sei "inkompatibel mit dem Wettbewerb-Format, dessen Tendenz es sei, zu spalten und zu individualisieren", teilten die Künstler in einer gemeinsamen Erklärung mit, die von Cammock verlesen wurde. Die Britin war für einen Film über die Rolle von Frauen zu Beginn des Nordirland-Konflikts nominiert.

Als Favorit hatte der kolumbianisch-britische Künstler Oscar Murillo gegolten mit seiner Installation von lebensgroßen menschlichen Figuren, die wie eine Kirchengemeinde vor einem teils verhangenen Fenster mit Ausblick auf das Meer auf Bänken gruppiert sind.

Der im Libanon lebende Lawrence Abu Hamdan hatte mit Soundeffekten die Erinnerungen ehemaliger Häftlinge an die Geräusche in einem syrischen Foltergefängnis auf verschiedene Weise verarbeitet. Die britische Künstlerin Tai Shani schuf mit ihrer Installation eine in grellen Farben gestaltete feministische Fantasiewelt mit dem Titel "Beyond patriarchal limits" (Jenseits patriarchalischer Grenzen).

Der Turner-Preis ist die wichtigste britische Auszeichnung für moderne Kunst. Er ist nach dem englischen Maler William Turner (1775-1851) benannt und wird seit 1984 vergeben. Er ist mit insgesamt 40.000 Pfund (knapp 47.000 Euro) dotiert, das Preisgeld teilen die vier Künstler nun unter sich auf. Die Vergabe der Auszeichnung wird von der Londoner Tate Gallery organisiert. Sie erfolgte in diesem Jahr erstmals in dem Küstenort Margate.

Im vergangenen Jahr ging der Preis an die britische Künstlerin Charlotte Prodger. Die 45-Jährige wurde für ihre teilweise mit dem iPhone aufgenommenen Kurzfilme "Bridgit" und "Stoneymollan Trail" ausgezeichnet.

(APA/dpa)

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