Drei-Sterne-Koch

Niko Romito: Italienischer Solitär

Anna Burghardt
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Ein entlegener Ort in den Abruzzen und die weite Welt: Niko Romito, Autodidakt, Drei-Sterne-Koch, internationaler Unternehmer.

Ob er gern schnell fahre? „Ja", sagt Niko Romito, und ein Strahlen breitet sich geradezu erlösend auf seinem konzentrierten Interviewgesicht aus. „Ich liebe Autos, ich liebe Geschwindigkeit." („Wenn er fragt, ob man mitfahren will, auf keinen Fall Ja sagen!", hatte zuvor schon seine diesbezüglich wohl leidgeprüfte Assistentin gewarnt.) Rasen ist ein Faible, das man diesem so nachdenklich, zurückhaltend, geradezu schüchtern wirkenden Koch nicht unbedingt zutrauen würde. Dass Romito als Drei-Sterne-Koch im Vorjahr eine Raststation an der Statale 17 im Abruzzen-Örtchen Castel di Sangro eröffnet hat, hat aber weniger mit seiner Vorliebe für fahrbare Untersätze zu tun als wieder einmal mit Familiensinn: „Schon mein Vater wollte immer ein Lokal an einer Durchzugsstraße haben. Ein Lokal, in dem wirklich alle Schichten sitzen, vom Lastwagenfahrer über Manager bis zu ortsansässigen Familien mit kleinen Kindern." Die Raststation Alt im Stil eines American Diner eröffnete im Vorjahr, bietet Pollo fritto, im Ganzen (!) frittiertes Huhn, pikant gefüllte Krapfen, lokalen Enziandigestif für die Beifahrer und vor allem auch Brot zum Mitnehmen – die Bäckerei Laboratorio Pane schließt direkt an das Lokal an. Alt und Pane ergänzen nun Romitos kleines Imperium am Standort Castel di Sangro: das Drei-Sterne-Restaurant Reale im Hotelanwesen Casadonna und die Accademia Niko Romito, in der Köche ausgebildet werden, inklusive Ausflüge zu Bienenstöcken im Imkeroutfit; viele Absolventen führen bereits erfolgreich eigene Restaurants. Zur Niko Romito Group gehören weiters zwei Lokale namens Spazio in Rom und Mailand sowie vier Restaurants in Bulgari-Hotels, jenes in Peking wurde gerade erst mit einem „Michelin"-Stern ausgezeichnet.

Fernab jeder Stadt. Dabei war das alles nicht geplant: Niko Romito, der übrigens kaum Englisch spricht, war in der letzten Phase seines Wirtschaftsstudiums, als sein Vater starb. Gemeinsam mit seiner Schwester und heutigen Geschäftspartnerin Cristiana Romito übernahm der damals 25-Jährige im Jahr 2000 das familieneigene Wirtshaus Reale, das davor eine Pasticceria war. Romitos Vater hatte das Lokal im Abruzzen-Dorf Rivisondoli in den Bergen, fernab jeder größeren Stadt, mit siebzig Jahren eröffnet, „eher als Hobby in der Pension". Einfache Bergküche, ein paar typische Gerichte wie Lamm vom Grill oder pancotto abruzzese, eine Suppe aus altem Brot, standen auf dem Programm. Nach kurzer Zeit stellte sich Niko Romito, der nach eigenen Angaben keine Ahnung von Kochen gehabt hatte, selbst in die Küche des Reale. „Ich las irrsinnig viel, probierte aus." Bald kehrte das lokale Publikum gleich wieder um, nachdem es die Speisekarte gemustert hatte – da waren plötzlich Dinge zu lesen, die man nicht kannte. „Wirtschaftlich nicht einfach", blickt Romito nachdenklich zurück. Was ihn aber nicht davon abhielt, weiterzukochen. 2007 kam der erste „Michelin"-Stern: Für die mit nur rund 1,3 Millionen Einwohnern (aber umso mehr Schafen) äußerst dünn besiedelten süditalienischen Abruzzen eine Premiere. Romito hatte das Bedürfnis, sein Lokal („viel Holz, sehr Trattoria") etwas moderner zu gestalten, es mangelte aber an Geld. „Weiße Farbe auf die alten Balken, das war die erste Lösung." Zwei Jahre später, 2009, folgte, noch im Dörfchen Rivisondoli, der zweite Stern. „Wir waren der kleinste Ort Italiens mit zwei Sternen."

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