Gastbeitrag

Trump ist nicht Clinton und auch sonst ist vieles anders

(c) Peter Kufner
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Das aktuelle Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump im Vergleich mit dem Impeachment 1998 gegen Clinton.

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Wieder könnte dem US-Präsidenten knapp vor Weihnachten ein Paket vor die Tür des Weißen Hauses gelegt werden, das Sprengstoff enthält: ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) – wie seinem Vor-Vor-Vorgänger vor zwei Jahrzehnten, Bill Clinton. Heute heißt der Amtsinhaber Donald Trump – und vieles lässt sich mit 1998 nicht vergleichen.

„Klima“ war das Wort, das vor allem die USA-Korrespondenten aus Österreich an diesem 19. Dezember 1998 häufig hörten. Es bezog sich allerdings nicht auf die Erderwärmung, sondern auf Viktor, den Bundeskanzler, der wenige Tage vor Weihnachten, als Ratsvorsitzender der Europäischen Union, dem Weißen Haus einen Besuch abgestattet hatte.

Und dieses Treffen hatte es in sich: Eben erst hatte das US-Repräsentantenhaus mit Mehrheit das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton, den 42. Präsidenten der USA, beschlossen. Clinton wollte keine amerikanischen Medien dabei haben, sonst hätte er zur Impeachment-Frage Stellung nehmen müssen. Keine Kameras der amerikanischen TV-Anstalten hätte auch bedeutet, keine Kamera des ORF.

Ein kleiner Trick mit Kamera

Damit wir aber im Oval Office filmen konnten, griffen wir zu einem Trick: Wir überklebten das ovale ORF-Logo und ernannten die Ausrüstung zur „Privatkamera“ des Bundeskanzlers. Das funktionierte perfekt. Nur Scott Pelley, damals White-House-Korrespondent der Fernsehanstalt CBS, hatte von unserem Trick Wind bekommen: Er wollte unbedingt Bilder des Präsidenten von diesem historisch so bedeutsamen Tag. Wir versicherten ihm, dass er eine Kopie bekommen würde.

So hatte auch Viktor Klima unverhofft (s)einengroßen Auftritt im US-Fernsehen. Für CBS war es freilich wichtiger, Bill Clinton zu zeigen. Clinton freute sich im Bild sichtlich über die erste Euro-Münze, die ihm seine Gäste mitgebracht hatten. Dass ihn das Amtsenthebungsverfahren bedrückte, war ihm nicht anzusehen. Wäre er wie Trump gewesen, hätte er eventuellgetweetet: „Die Europäer glauben, damit den Dollar kleinzukriegen. Pah, nichts wert, diese Währung.“ Aber Clinton war nicht Trump und Twitter noch nicht erfunden.

Nachrichtenbombe explodiert

Gehen wir noch weiter zurück, zum 19. Jänner 1998, mitten in einen Winter also, doch die Temperaturen liegen bei angenehmen 15 Grad plus. Auf Kuba. Dort hatten sich nämlich Journalisten aus aller Welt versammelt, um über den Besuch des Papstes beim amerikanischen Erzfeind Fidel Castro zu berichten. Mittendrin explodiert in den USA eine ordentliche Nachrichtenbombe des „Drudge Report“. Darin war von einer Affäre zwischen Clinton und Monica Lewinsky die Rede.

Die US-Journalisten – „to hell with the pope“ – verließen fluchtartig die Karibikinsel Richtung Washington. Ein paar Tage später donnerte Clinton der versammelten Medienmeute entgegen: „Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau, Ms. Lewinsky. Und ich habe nie jemanden dazu angestiftet, (darüber) zu lügen, niemals!“ Vergebens. Kurz danach geisterte erstmals der Begriff „Impeachment“ durch die Zeitungen, aufgebracht und angestachelt von der republikanischen Opposition, die freilich, anders als jetzt, im Abgeordnetenhaus die Mehrheit bildete.

„Wegen so etwas wollen sie den Präsidenten entlassen? Wegen so etwas?“ Das hörte man damals von demokratischer Seite immer wieder. Aber genau so äußerte sich jetzt auch der republikanische Abgeordnete Jim Jordan in den öffentlichen Anhörungen Ende November. Mit einem Unterschied: Diesmal geht es nicht um Sex, sondern um den hochpolitischen Vorwurf, Donald Trump habe die Ukraine genötigt, gegen seinen möglichen Konkurrenten Joe Biden Ermittelungen anzustellen.

Clinton in Bedrängnis

Oktober 1998. Bill Clinton wirkte entspannt. Er saß mit seinen Ministern im Weißen Haus, um sich – wie er sagt – den wirklichen Problemen des Landes zu widmen. Freilich bestand eines davon auch darin, dass sich abzeichnete, als erst drittes Staatsoberhaupt der USA mit einem Amtsenthebungs-Verfahren konfrontiert zu sein.

Seine Gelassenheit ließ sich wohl mit den damaligen Meinungsumfragen erklären: 55 Prozent der Befragten wollten nicht, dass sich der oder die Abgeordnete seines/ihres Bundesstaats für das Amtsenthebungsverfahren entscheide; beachtenswerte zwei Drittel waren weiterhin dagegen, dass Clinton aus dem Amt gejagt oder freiwillig zurücktreten würde. Das waren gute Ergebnisse für einen in Bedrängnis geratenen Präsidenten – vor allem für einen, der nicht gerade als Vorbild für moralische Charakterstärke dienen konnte.

In den nächsten Wochen sollte der Kongress dann tatsächlich einigermaßen stillhalten – aus zweierlei Gründen. Erstens eignete sich der Wahlkampf für die Halbzeitwahlen Anfang November kaum für tiefsinnige Auseinandersetzungen über eine derart schwerwiegende Frage – nämlich, ob Gründe bestehen, den Präsidenten abzusetzen.

Das Volk war gegen Anhörung

Dazu kam aber auch, dass die Stimmung im Volk gegen diese Anhörungen eingestellt war. Würden sie über die Bühne gehen, mit noch mehr Monika Lewinsky, noch mehr Gerede über Sex, über Tonbänder, übergegenseitige Geschenke, hätte das tatsächlich den Zorn des Volks entfachen können – und dieser Gefahr wollte sich die republikanische Mehrheit nicht aussetzen. Die Republikaner wurden dann auch wirklich von den Wählern wegen ihres Verhaltens im Clinton-Lewinsky-Skandal abgestraft, blieben aber trotzdem stärker als die Demokraten.

Jänner 1999. Noch einen wesentlichen Unterschied gibt es zwischen damals und heute: Bei Clinton hatten sich beide Parteien, also Republikaner und Demokraten, darauf geeinigt, mit der Präsentation der Anklage zu beginnen. Darin wurde dem Präsidenten im Wesentlichen vorgeworfen, im Zusammenhang mit seinem Verhältnis zur oder mit der Praktikantin Monika Lewinsky unter Eid falsch ausgesagt und Zeugen manipuliert zu haben.

Die Verlesung der Anklage sollte drei Sitzungstage in Anspruch nehmen, Lewinsky, die interessanteste Person in dieser Causa, stand ganz oben auf der Wunschliste der Zeugen, die die Republikaner vorgeladen hatten. Damit wurden die Tore für eine endlose Anzahl an Zeugen geöffnet, alle Namen, die diesen Skandal im vergangenen Jahr beherrscht hatten, tauchten wieder auf.

Das Ende ist bekannt: Im Senat gab es keine Zweidrittelmehrheit für einen Schuldspruch und damit blieb Clinton im Amt, fast zwei Jahre noch, ohne sich einer weiteren Wahl stellen zu können. Das Verfahren gegen Trump würde mitten in den Intensivwahlkampf fallen. Wie dieser ausgeht, ist heute offen. So wie die Frage, ob Trump jemals die hohen Beliebtheitswerte erreichen wird, mit denen sich Bill Clinton nach dem Verfahren in Richtung Ruhestand begab.

Der Autor

Eugen Freund (* 1951) ist ein österreichischer Politiker (SPÖ), Autor und ehemaliger Fernsehjournalist (ORF von 1986 bis 2013). Von Juli 2014 bis Mai 2019 war er Mitglied des Europäischen Parlaments. Von 1995 bis 2001 war er ORF-Korrespondent in Washington.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2019)

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