Dokumentarfilm

Geister einer südsteirischen Kaserne

Katharina Copony zeigt mit „In der Kaserne“, wie magisch ein Dokumentarfilm sein kann.

Die österreichische Filmemacherin Katharina Copony bringt Dinge zum Sprechen, die für gewöhnlich schweigen. In „Moghen Paris“ (2016) waren das Korkeichen, die begannen, ihre Geschichten zu teilen. Im Film „In der Kaserne“ ist es vielleicht die Vergangenheit selbst, die das Wort ergreift. Sie vermittelt sich durch Geister, die Copony reinszeniert. Diese wehen durch eine Kaserne in Straß – an der Grenze zu Slowenien –, die Coponys Großmutter bis in die Siebzigerjahre geführt hat. Dieser Ort hat Coponys Mutter geprägt und damit auch sie selbst. Wobei er auf die Enkelin ganz anders wirkte.

Dieses Phänomen kennt mancher wohl aus der eigenen Familie: Wo die Eltern ihren Eltern gern Strenge und Unversöhnlichkeit attestieren, erscheinen diese den Enkeln eher als gütig, stehen für Obhut und Freiheit zugleich. Entsprechend zwiespältig ist in „In der Kaserne“ die Darstellung des Großvaters: Einerseits erscheint er als verantwortungsloser Lebemann, von Gasthof zu Gasthof tingelnd, ein Achtel nach dem anderen kippend, andererseits als Heldenfigur, von den Nazis denunziert, beschützend und mächtig.

„Was trägt sich durch die Generationen, trotz aller Veränderungen?“, fragt Copony als monologisierende Stimme des Films. Es sind verschiedene Wahrheiten, die sich hier vermischen. Die Kaserne, sowohl als gegenwärtiger Ort wie auch als eine längst untergegangene Insel inszeniert – und mit Mädchen und Soldaten bespielt, die die eigene Kindheit sowie die der Mutter verkörpern –, birgt sie alle. „Deine Großeltern leben immer noch im Barock, hat meine Mutter gesagt“, erklärt Copony im Film. Barock heißt hier: gestrig, erzkatholisch, beengend.

„Können Dokumentarfilme magisch sein?“ Mit dieser Frage eröffnet das Metro-Kino den Programmtext zu einer Retrospektive auf Coponys Werk (bis 14. 12.). Auch „Moghen Paris“ ist dabei, mit der schönen Zeile „ . . . öffnet Trost die Pforte neu, die sich kurz geschlossen hat.“ Sie passt auch zu dieser geheimnisvollen Begehung, wo sich hinter flaschengrünen Türgläsern noch immer Kindergesichter an die Scheiben drücken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2019)

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