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ThyssenKrupp: Eine Operation am offenen Herzen

Die Stahlarbeiter kämpfen um ihre Arbeitsplätze im Ruhrgebiet.
Die Stahlarbeiter kämpfen um ihre Arbeitsplätze im Ruhrgebiet.imago images/Rupert Oberhäuser
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ThyssenKrupp will das Stahlgeschäft, das abgespalten und mit Tata Steel fusioniert werden sollte, neu aufstellen. Das erforderliche Geld soll vom Verkauf der Aufzugsparte kommen.

Düsseldorf/Essen. Stahl – der Werkstoff gehört zu ThyssenKrupp, seitdem August Thyssen und Friedrich Krupp vor rund 150 Jahren die Ära der deutschen Schwerindustrie begründeten. Das blieb auch nach der Fusion 1999 zum größten deutschen Stahlkocher so. Aber die Milliardengewinne sind längst Geschichte – die einstige Ikone der deutschen Industrie steckt in der schwersten Krise der Unternehmensgeschichte. Um diese zu überwinden, wird quasi am offenen Herzen operiert: Die Stahlsparte soll mit massiven Investitionen – aber auch der Streichung von rund 1000 Stellen – neu aufgestellt werden. Das beschloss der Aufsichtsrat am Dienstagabend.

Die Wurzel des Übels ist just das Stahlgeschäft selbst. ThyssenKrupp leidet, wie andere Stahlkocher, unter weltweiten Überkapazitäten, Billigimporten aus China und immer schärferen Umweltauflagen. Dazu kommen hausgemachte Probleme, milliardenschwere Fehlentscheidungen. Die erste war der Bau von Stahlwerken in den USA und in Brasilien. ThyssenKrupp setzte gut zehn Mrd. Euro in den Sand und stand am Rand des Ruins.

Das Auslandsabenteuer war noch nicht verkraftet, da startete Heinrich Hiesinger, Nachfolger des im Zuge des Brasilien/USA-Desasters abgetretenen Langzeitchefs Ekkehard Schulz, eine neue Strategie: Die Stahlsparte sollte mit Tata Steel fusionieren. Dem monatelangen Hin und Her machte die EU-Kommission im Juni dieses Jahres ein Ende und verbot die Fusion. Hiesinger musste schon ein Jahr zuvor abtreten. Aber auch sein Nachfolger, Guido Kerkhoff, hielt sich nur 14 Monate im Chefsessel. Seine Idee, die Aufzugsparte zu verkaufen, wurde nicht umgesetzt, die Aktionäre warfen ihm zudem mangelnde Durchschlagskraft bei der Restrukturierung vor.

Jetzt ist Martina Merz am Ruder: Die Maschinenbauerin, die seit Februar dem Aufsichtsrat vorstand, soll den Konzern vor dem Absturz retten. Eine Herkules-Aufgabe, auf die Merz bei der Bilanzvorlage Ende November Mitarbeiter und Aktionäre einstimmte.

Noch höherer Verlust

Der Nettoverlust dürfte im neuen Geschäftsjahr noch über den 304 Mio. Euro von 2018/19 liegen. Operativ dürfte nicht mehr herausschauen als die 800 Mio. Euro des Vorjahres. Der unter ihrem Vorgänger angekündigte Abbau von 6000 der 160.000 Stellen weltweit könnte ausgeweitet werden, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Die Dividende entfällt.

„Wir wollen über die kommenden Jahre hinweg unser durchschnittliches Ebit um bis zu 600 Mio. Euro verbessern“, heißt es nun in einem Mitarbeiterbrief von Thyssenkrupp Steel Europe. Die „Strategie 20–30“ sieht hohe Investitionen in Anlagen wie auch mögliche Schließungen von Aggregaten, Kostensenkungen, Partnerschaften, Zukäufe und Stellenstreichungen vor. Das Strategie- und Planungspapier werde nun von Gewerkschaft und Betriebsrat geprüft, sagte der nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Knut Giesler.

Am Dienstag hatten Tausende Stahlarbeiter vor der Zentrale von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg demonstriert. Sie fordern ein tragbares Konzept, Schutz für Standorte und Arbeitsplätze sowie Investitionen von 1,5 Mrd. Euro über mehrere Jahre. Das Management sieht 570 Mio. Euro pro Jahr vor. Das Geld soll vom Verkauf der Aufzugsparte kommen, der 15 Mrd. Euro bringen könnte.

Noch ist dies ebenso wenig fix wie der Verkauf anderer Sparten (Anlagenbau, Autokomponenten). Bleiben würde nur das konjunkturanfällige Stahlgeschäft. Eine in der Tat risikoreiche Strategie. Aber Merz hat keine Alternative.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2019)

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