Burgenlands angesagte Revolution

Über einen besonders dreisten Versuch der Wählertäuschung.

Was war vor den Wahlen im Burgenland vom absolut regierenden Landesfürsten nicht alles angesagt: Änderung der Landesverfassung, Abschaffung der verhältnismäßigen Vertretung aller Landtagsparteien in der Landesregierung, Rausschmiss des Landeshauptmann-Stellvertreters, Alleinregierung im Zeichen des real existierenden Sozialismus burgenländischer Prägung... Für österreichische Verhältnisse eine Revolution. Aber wie es die Volksweisheit so will: Angesagte Revolutionen finden nicht statt.

Die Wahlen sind geschlagen, das Getöse als Theaterdonner entlarvt: Verfassungsänderung abgesagt, die Großparteien in einer neuen Koalition, der Alleinherrscher nimmt seinen Stellvertreter wieder in Gnaden an. Alles wieder paletti? Vielleicht in der burgenländischen Politik. Aber über einige Vorkommnisse kann man nicht zur Tagesordnung übergehen.

Einen dreisteren Versuch der Wählertäuschung habe ich nicht erlebt: Im Zusammenspiel von Parteistrategen, Meinungsforschern und Boulevard-Journalisten, wurde dem Wähler in den letzten zehn Tagen vor der Wahl weisgemacht, die absolute Mehrheit der SPÖ von 52 bis 54 Prozent sei gesichert, der Absturz der ÖVP auf 28 Prozent schon gegessen, und das sei gut und richtig so. Seriöse Meinungsforscher konnten das in ihren Messungen ganz und gar nicht sehen – der Verdacht der Manipulation ist offenkundig. Die liebe Zentralsekretärin der SPÖ ließ sich dennoch schon vor der Wahl als geniale Strategin und Mutter des Sieges feiern.

Die Wähler gaben der SPÖ gerade einmal 48, der ÖVP 34 Prozent. Die Wahlforschung machte klar: 10.000 SPÖ-Wähler waren zu Hause geblieben. Teils aus Frust über den seltsamen pannonischen Machtpopulismus, teils weil die Absolute ohnehin gesichert war. So hat der Landeshauptmann seine Mehrheit selbst vergeigt. Hätte er die bewährten linken Themen betont und um die Mehrheit sichtbar gezittert, hätte er sie heute noch. Aber er war halt „vom eigenen Schmäh infiziert“, war sich seines Sieges zu sicher, und das machte ihn mit dem Alleinmachtanspruch unsympathisch. Was lernen wir daraus? Hochmut kommt vor dem Fall.

Ein weiterer Versuch der Wählertäuschung wird hoffentlich beim Verfassungsgerichtshof landen: die vorgetäuschte Landeshauptmann-Wahl durch Ankreuzen einer Vorzugsstimme, die dann auch den Vorrang über die Wahl einer Partei hat – ganz genau gegenteilig zur Nationalratswahl. Dieser Unfug ist überall, auch in einem anderen Bundesland, schnell zu beseitigen. Wer soll sich da noch auskennen?

Zwei weitere Anmerkungen: Die Briefwahlstimmen sollten spätestens am Wahltag einlangen und gleich mitgezählt werden! Die Ziffern sind ohne Dazurechnen der Briefwahlstimmen falsch!

Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2010)

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