Zoologie

Tiefer Winterschlaf schadet den Zellen kleiner Nagetiere

Glis glis, der Siebenschläfer.
Glis glis, der Siebenschläfer.(c) Claudia Bieber
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Forscher der Vet-Med-Uni zeigen, dass Siebenschläfer bei drei Grad Umgebungstemperatur weniger Energie im Winterschlaf verbrauchen als bei 14 Grad. Dafür müssen sie aber mehr Energie in die Reparatur der Chromosomen-Enden investieren, wenn sie wieder aufwachen.

Der Siebenschläfer verdankt seinen Namen den sieben Monaten, die er im Schnitt im Winterschlaf verbringt. Mit bis zu elf Monaten hält der heimische Nager aus der Familie der Bilche den Rekord im Tierreich. Forscher der Vet-Med-Uni Wien untersuchten, welche Vor- und Nachteile es bringt, im Winter Stoffwechsel, Atmung, Herzfrequenz und Körpertemperatur hinunterzufahren (Biology Letters, 2. 10.). Im Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie am Wilhelminenberg beobachteten sie Siebenschläfer und eine zweite heimische Bilchart: Gartenschläfer, die etwas kleiner und seltener als Siebenschläfer sind.

Während der Winterzeit wurden ihre Gehege in Klimakammern auf entweder drei oder 14 Grad Celsius abgekühlt, über die Dauer von 19 Wochen, um zu vergleichen, welche Umgebungsbedingungen in den Winterschläfern welche Veränderungen bewirken. „Beide Tierarten reagierten relativ ähnlich: Bei der kühleren Temperatur verbrauchen die Tiere weniger Energie, weil ihre Körpertemperatur tiefer absinkt und sie weniger oft aufwachen“, erklärt Studienleiterin Julia Nowack, die nun an der Liverpool John Moores University in England arbeitet.

Rauf- und Runterfahren

Die Bilche, die bei 14 Grad gehalten wurden, gingen öfter in kurze Aufwachphasen (Arousal), die man etwa mit einem Rauf-und-Runterfahren eines Computers vergleichen kann. Das System Körper wird hochgefahren: Atmungs- und Herzfrequenz, Stoffwechsel und Körpertemperatur steigen an, um nach ein paar Stunden wieder abzusinken, in den kühlen Torpor, wie Wissenschaftler den Winterschlaf-Zustand nennen.

„Gartenschläfer können in Aufwachphasen sogar Nahrung aufnehmen, Siebenschläfer machen das nicht. In unserer Studie war aber bei allen Tieren kein Futter vorhanden, weil sie es unter den Bedingungen nicht brauchen“, erklärt Nowack. Dass solche Arousal-Phasen viel Energie kosten, weiß man bereits: Die Frage ist, warum machen die Tiere das überhaupt? An der Vet-Med-Uni wurde sowohl die Körpertemperatur der kleinen Nagetiere überwacht als auch anhand des Sauerstoffverbrauchs ihr Energieumsatz gemessen. Anschließend untersuchten die Forscher die Zellen der Tiere und fanden einen Grund dafür, dass sich der Winterschlaf bei hohen Temperaturen trotz des hohen Energieaufwands lohnt: Die Tiere, die bei niedrigeren Temperaturen in tieferen Winterschlaf fielen, hatten im Frühling kürzere Telomere an den DNA-Strang-Enden als die Tiere, die bei wärmeren Temperaturen einen weniger tiefen Winterschlaf verbracht hatten.

Telomere sind die Schutzkappen am Chromosomenanfang und -ende, die sich bei jeder Zellteilung verkürzen und durch energetisch kostspielige Mechanismen repariert werden können. Je kürzer die Telomerlänge, umso kürzer das restliche Leben, könnte man drastisch sagen: Auch bei Menschen wirken sich Stress und chronische Krankheiten auf die Länge der Telomere aus. „Während der Aufwärmphasen entstehen Stoffwechselprodukte, die den Telomeren schaden können“, erklärt Nowack.

Die Tiere bei 14 Grad hielten ihre Winterschlaf-Körpertemperatur näher an der normalen Körpertemperatur und hatten weniger lange Aufwärmphasen pro Arousal: „Während der warmen Phasen können die Telomere jeweils repariert werden.“ Die Tiere bei drei Grad hingegen hatten weniger Chance auf Reparatur, weil sie weniger oft aufwachten. Und sie hatten sehr lange Aufwärmphasen, um aus der kalten Körpertemperatur wieder auf die normale zu kommen. „Die schädlichen Substanzen sind genau dann ein Nebenprodukt“, so Nowack. Für die Tiere bedeutet der kühle Winterschlaf also einen Kompromiss zwischen energiesparendem Modus und gesundheitsbelastender Verkürzung der Telomere.

Energie für Paarungszeit

„Wir haben bisher möglicherweise die Kosten des Winterschlafs unterschätzt: Denn das, was an Energie im Torpor eingespart wird, muss nach dem Aufwachen wieder in die Reparatur der Telomere gesteckt werden“, sagt Nowack. So gesehen haben also Tiere, die ihren Körper im Winterschlaf wärmer halten, einen Startvorteil im Frühling, wenn die „ohnehin anstrengende Paarungszeit“ losgeht, und sie weniger Energie in ihre beschädigten Zellen stecken müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2019)

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