Kritik

Wenn Musik der Melancholie Nahrung ist

Grigory Sokolov (Archivbild).
Grigory Sokolov (Archivbild).(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Zum Konzerthaus-Abend von Grigory Sokolov, der Mozart und Brahms gleichermaßen ungewöhnlich deutet.

Der bärenstarke Grigory Sokolov und Mozart? Das passt in kein Klischee. Vom (überwundenen?) romantischen Klangbild ist das Spiel dieses Pianisten so weit entfernt wie von den mal fragilen, mal mit dem Holzhammer attackierenden Zugriffen der Originalklang-Generation. Sokolov holt verstörend Widersprüchliches aus Mozarts Noten. Von der raren Anverwandlung barocker Kontrapunktik (Präludium und Fuge, KV 383a), die schon einmal zu Liszt'scher Klaviertiger-Geste greift, geht es über die populäre A-Dur-Sonate (mit dem „türkischen Marsch“) zum Rondo KV 511, das unter Sokolovs Fingern seltsam nach dem Voraus-Echo einer Chopin-Mazurka klingt.

So falsch, wie das scheinen mag, sind derlei Assoziationen ja nicht. Chopin ist ohne Mozarts Vorbild gar nicht denkbar. Und Mozarts Melodik und Harmonik schweifen mehr als einmal in Regionen ab, die man unzweifelhaft romantisch nennen darf. Insofern hat es Methode, wenn bei diesem Pianisten auch der Sonaten-Mittelsatz nach allem möglichen, nur nicht – wie die Satzbezeichnung suggerieren würde – nach einem Menuett klingt. Und wenn die Türken geradezu auf Samtpfoten daher marschieren, nur von einigen klappernden Mühlradgeräuschen in den Arpeggien der linken Hand vorangetrieben.

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