Kommentar

Peter Handke und die Nasenzange

Der große Schriftsteller kokettiert gar zu gern mit seiner Neigung zur Wut. Er sollte wieder einmal Doderers „Merowinger“ lesen.

Die Bibelgeschichte von der Heilung des besessenen Geraseners wolle er in seiner Nobelpreisrede neu erzählen, kündigt Peter Handke an: Vielleicht werde der Besessene bedauern, dass ihm Jesus die bösen Geister ausgetrieben hat . . .

Bei allem ehrlichen Respekt vor diesem Großen der Literatur: Wer auch nur einige Interviews mit Peter Handke gelesen hat und jetzt die Pressekonferenz in Stockholm verfolgt hat, wird das Gefühl nicht los, dass Handke, wenn er von bösen Geistern spricht, auch von einem inneren Dämon spricht, der ihn selbst allzu oft treibt, reizt und quält: von der Wut.

Man meint regelrecht zu spüren, wie sie ihn zu übermannen droht, ihn zu manisch überschärften Formulierungen – wie diesmal: „Ich hatte nie eine Meinung, ich hasse Meinungen“ – treibt. Die Wut spielt auch in seinem Werk eine zentrale Rolle: „Bis in die Kniekehlen wurde mir heiß vor einer Wut, die fast zu einer Mordlust wurde“, heißt es etwa im „Kurzen Brief zum langen Abschied“, „weil ich sie weder gegen mich selber noch gegen sonst etwas richten konnte“.

In diesem Sinn ist es noch ein Glück, dass Handke sich selbst Objekte gefunden hat, gegen die er die dräuende Wut richten kann: die Journalisten. „Wenn Sie das noch einmal sagen, hole ich einen Hammer!“, sagte er unlängst einem Interviewer von der „Zeit“, man sieht, er kennt seine Schwäche und kokettiert mit ihr. Es ist dennoch ein schlimmes Bild: der wutgeplagte Schriftsteller inmitten von Journalisten, die sich nichts zu fragen trauen, was ihn reizen könnte, die vor seinen Ausbrüchen zittern, die sich über ihren Tablets ducken, wie sich die Familie eines cholerischen Patriarchen beim Mittagessen über den Tellern duckt. Und vielleicht ist darunter auch ein Bosnigel, der sich über den Wutanfall freut . . .

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