Bunte Vögel auf Tapeten

Märchenhafte Apokalypse: „In den kommenden Nächten“ von Irmgard Fuchs.

Das war's, sagst du zu den alten Stufen im alten Stiegenhaus, die du Tausende Male hinauf- und hinuntergegangen bist.“ Dieser Satz klingt nach Abschied. „In den kommenden Nächten“ von Irmgard Fuchs beginnt mit einer Trennung. Die 35-jährige Protagonistin, Doro Grimm, hat alles hinter sich gelassen – ihre Arbeit, ihr Dorf und auch ihren Freund, Elmar, ohne ihn vorher darüber informiert zu haben. Sie hat die Konzeption eines Männerwohnheims fertiggestellt – nun will auch sie ein neues Heim. Ihre Träume, die in den Alltagsmühlen einer technischen Zeichnerin begraben wurden, sollen noch eine Chance bekommen. „Denn mein Leben ist doch schon die längste Zeit nur noch ein einziges Warten darauf gewesen, dass sich von allein etwas verändert.“

Da die Veränderung nicht eingetreten ist, muss Doro selbst aktiv werden. Sie findet eine Wohnung in einer größeren Stadt, die Besitzerin wird ein halbes Jahr auf Reisen sein. In einer Bar ist ein Schlüssel für sie hinterlegt, der ihr die Tür in ein neues Leben öffnen soll. Die Wohnung allerdings ist mit alten Rattanmöbeln eingerichtet, die ambivalente Gefühle in ihr auslösen, ein Topf mit Nudeln steht noch in der Küche, Schmutzwäsche quillt aus der Waschmaschine, das Bett ist ungemacht. Eine benutzte Unterhose liegt quer über einem Digitalwecker, „dessen Ziffern durch den Stoff ein rosarotes 16:27 hindurchleuchten“. Da muss jemand geflüchtet sein. Das Innere dieser Wohnung ist auch als Spiegel des Inneren von Doro zu sehen – das Tröstende ist eine samtgrüne Tapete mit bunten Vögeln, die später noch eine Rolle spielen werden.

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