Der ökonomische Blick

Warum wir PISA vielleicht nicht so ernst nehmen sollten

Die Presse (Clemens Fabry)
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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Christoph Kuzmics über Bildung.

Ökonomen und Ökonominnen versuchen menschliches Verhalten dadurch zu verstehen, indem sie versuchen, sich in die Lage dieser Menschen hineinzuversetzen und zu überlegen, was sie wohl für Ziele haben. ÖkonomInnen sprechen dabei allgemein von Anreizen, die finanzieller, aber auch anderer Art sein können.

In einem kürzlich erschienen Artikel im American Economic Review: Insights sind die AutorInnen Gneezy, List, Livingston, Qin, Sadoff, und Xu (https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/aeri.20180633) der Frage nachgegangen, welche Anreize wohl die Kinder haben, die an der PISA-Studie beteiligt waren. Wie gut ein Kind in der Studie abschneidet, hat ja für das Kind selbst keine Konsequenzen. Man bekommt dadurch keine bessere Note und dadurch auch keine bessere Chance auf einen Job; es bringt ja eigentlich nicht viel. Wenn man nun davon ausgeht, dass es auch ein bisschen anstrengend ist, einen solchen Test gut zu absolvieren, kann man sich schon fragen, wie sehr sich die Kinder da überhaupt ins Zeug legen werden.

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Die AutorInnen dieses Artikels haben folgendes Experiment gemacht. Sie haben zwei Gruppen von Kindern Mathetests gegeben, einer Gruppe in Shanghai und einer in den USA. Sie haben diese Gruppen jeweils in zwei zufällig gewählte Teilgruppen aufgeteilt. Eine Teilgruppe, die Kontrollgruppe, bekam jeweils den Mathetest einfach so (also wie bei der PISA-Studie zum Beispiel) und die andere bekam den Test mit finanziellen Anreizen: Ihnen wurde zu Beginn des Tests gesagt und versprochen, dass Sie für Ihr Testresultat bezahlt werden; je besser der Test, umso mehr.

Interessanterweise ergab sich nun, dass die Kinder in Shanghai sich in beiden Gruppen gleich anstrengten und die Testergebnisse mit oder ohne finanzielle Anreize im Schnitt gleich waren. Die AutorInnen interpretieren dies so, dass sich die Kinder in Shanghai auch ohne Aussicht auf Geld bemühen, so gut wie möglich zu antworten. Mit den Kindern in den USA war das aber nicht so. Die Kinder mit finanziellen Anreizen haben sich um einiges mehr angestrengt und um einiges besser im Test abgeschnitten. Der Effekt war so groß, dass die USA, umgelegt auf das PISA-Ranking, sich vom 36. auf den 19. Platz verbessert hätten.

Wir wissen jetzt natürlich nicht genau, wie die Testergebnisse in anderen Ländern (wie zum Beispiel in Österreich) gewesen wären, wenn man den Kindern finanzielle Anreize gegeben hätte, aber man sollte vielleicht aus der anreizschwachen PISA-Studie keine voreiligen Schlüsse ziehen.

Zum Autor

Christoph Kuzmics beschäftigt sich mit der Theorie des strategischen Denkens. Er ist seit 2015 Professor für Mikroökonomik, Universität Graz, davor war er an der Universität Bielefeld. Von 2003 bis 2011 war Kuzmics Assistenzprofessor an der Kellogg School of Management, Northwestern University.

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