Streitgespräch

„Eine Ohrfeige für die Frau und ein Freibrief für den Täter“

Die Ziele sind ähnlich, ihre Wege dorthin weniger: Karoline Edtstadler (l.) und Maria Rösslhumer in der „Presse“-Redaktion.
Die Ziele sind ähnlich, ihre Wege dorthin weniger: Karoline Edtstadler (l.) und Maria Rösslhumer in der „Presse“-Redaktion.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gewalt gegen Frauen passiert nach wie vor täglich und in erschreckendem Maß. Mit 1. Jänner tritt ein Gesetzespaket zum Gewaltschutz in Kraft. Wendet sich damit etwas zum Guten? Ein Streitgespräch zwischen der ehemaligen Staatssekretärin Karoline Edstadler und Frauenhäuser-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer.

2019 wurde so viel über Gewalt, über Frauenmorde geredet wie wohl nie. Ein Gewaltschutz-Gesetzespaket wurde beschlossen, eine Screening-Gruppe im Innenministerium eingerichtet. Wurde das Jahr gut genutzt?

Karoline Edtstadler: Die Taskforce Strafrecht wurde schon im Februar 2018 ins Leben gerufen, dann hatten wir gegen Jahresende eine nie dagewesene Häufung an Frauenmorden, darauf wurde die Screening-Gruppe eingesetzt. So traurig das ist, es bestätigt, dass wir handeln mussten. Das baut auf drei Säulen auf: Strengere Strafen, Opferschutz, opferschutzorientierte Täterarbeit. Man kann nie genug tun, aber das Gewaltschutzpaket ist ein Meilenstein.

Maria Rösslhumer: Nicht vorgesehen ist, dass man Geld in Prävention investiert. Einige Punkte im Gesetz sind gut, andere bringen uns nicht weiter, etwa der höhere Strafrahmen. Täter überlegen nicht vorher, wie hoch ist die Strafe. Die niedrige Verurteilungsrate von ca. zehn Prozent bei Gewalt an Frauen wird so nicht erhöht. Außerdem werden viele Anzeigen sehr schnell eingestellt, da helfen auch keine höheren Strafen. Wir müssen in der Prävention ansetzen.

Edtstadler: Ich stimme insofern zu, als der Strafrahmen allein nicht zu weniger Taten führt. Aber, schwere Straftaten wie Vergewaltigung, Tötungsdelikte, schwere Körperverletzung müssen entsprechend streng bestraft werden.

Wie kommt man zu einer höheren Verurteilungsrate bzw. mehr Anklagen?

Edtstadler: Indem wir eine bessere Forensik haben, das ist Teil des Pakets. Und wir haben für die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Institutionen eine rechtliche Basis geschaffen. Zuvor gab es das Projekt Marac (Multi-Agency Risk Assessment Conference, Hochrisiko-Fallkonferenzen, Anm.), auf Einladung der Interventionsstellen. Dem Austausch von Daten zwischen Institutionen stand bisher der Datenschutz entgegen. Nun ist der Lead bei der Polizei, und wir haben bessere Vernetzung etabliert, damit nicht passiert, was wir etwa vom Brunnenmarkt-Mord kennen: Dass jede Institution gewisse Informationen hat, aber die Vernetzung untereinander fehlt.

Rösslhumer: Man muss Warnsignale viel mehr beachten, da stimme ich zu. Aber im Vergleich zu vorher darf jetzt nur die Polizei Fallkonferenzen bei Hochrisikosituationen allein einberufen, früher konnten das alle Einrichtungen, Frauenhaus, Interventionsstelle/Gewaltschutzzentrum. Darunter verstehen wir keine multiinstitutionelle Zusammenarbeit. Das wird jetzt schwieriger. Wir wollen nicht betteln. Ich hoffe, dass das noch geändert wird.

Edtstadler: Natürlich sollen Opferschutzeinrichtungen das anregen können, aber es braucht eine führende Institution. Helfen soll auch das einheitliche Gefährdungsmanagement, mit dem Opferschutzeinrichtungen und Polizei einheitlich beurteilen, wie hoch das Risiko ist, und man dann mit der verpflichtenden Täterarbeit ansetzen kann, um die Gewaltspirale zu durchbrechen.

Rösslhumer: Genau. Aber dafür braucht es Leitfäden zur Gefährlichkeitseinschätzung. Zur Täterberatung. Die Gewaltpräventionszentren, die im Gesetz stehen, sind problematisch. Allein der Name ist irreführend, der Status ist nicht klar definiert. Es gibt keine Kriterien, keine Standards, wer die Beratung anbieten kann. Bei akuten Delikten kann es problematisch sein, drei Stunden Beratung anzuordnen, da wünschen wir uns weiter Normverdeutlichungsgespräche, die präventive Rechtsaufklärung der Polizei.

Edtstadler: Die sie weiter machen kann.

Rösslhumer: Kann. Bisher war es verpflichtend. Ein Täter hat vermutlich mehr Respekt vor der Polizei als vor einem Sozialarbeiter, und es ist nicht klar, wer diese Täterarbeit macht.

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