Unterwegs

Style-Organisch

In Tel Aviv geht die Post ab, kulinarisch, elektrisch und in tragischen Einzelfällen auf dem WC.

Es ist natürlich dumm, wenn man in die Fress-Metropole schlechthin reist, um am ersten Abend von einer Magen-Geschichte – in flagranti im Lokal – niedergestreckt zu werden. Alles Glück der Welt, manchmal ist es einfach ein freies WC.

Verzeihung, Tel Aviv ist natürlich viel mehr als eine Destination zum gehobenen Futtern. Aber das ist sie eben auch, aktuell mehr als alle anderen Städte, die aus Wien per Direktflug erreichbar sind. Die Stars der Stadt heißen „Karfiol-König“ Eyal Shani, der auch in Wien in zwei Lokalen seine Kunst darbietet, und Shirel Berger, vor deren pflanzlichem „Opa“ Fleischfresser geduldig Schlange stehen. Wer Falafel und Hummus für trivial hält, soll in Tel Aviv in eine x-beliebige Bude einfallen – für die Darbietung in unseren Breiten ist man allerdings auf ewig verloren.

Gut, mit Essen war es halt nicht so, aber Spazierengehen war bald wieder drin. Und man staunt als Tel-Aviv-Anfänger über die Schönheit der Stadt, ihr reiches, so lässig dargebotenes Bauhaus-Erbe, über den turbulenten Mix aus Ethnien, Konfessionen und fast allem anderen, auch über Halbwüchsige mit umgehängten M16-Sturmgewehren (Infanterierekruten beim Shoppen) – und über ein einzigartiges Streetlife. Die organische Selbstregelung der Verkehrsströme kennt man aus Südostasien und arabischen Ländern, aber die Sanftheit und Defensive der Autofahrer hier ward kaum wo gesehen. Ist auch notwendig: Junge Menschen zischen elektrisch dahin, auf Scootern, Rollern, Bikes, Surf- und Skateboards, auf Dingen, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt. Und sie stoppen ungern.

timo.voelker@diepresse.com


Nächste Woche:
Karl Gaulhofer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2019)

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