Mailand

Die Netrebko als Tosca an der Scala oder: Anneles Himmelfahrt

Dreimal erstochen und einmal erwürgt: Luca Salsi stirbt durch die Hand Anna Netrebkos an der Mailänder Scala.
Dreimal erstochen und einmal erwürgt: Luca Salsi stirbt durch die Hand Anna Netrebkos an der Mailänder Scala.(c) Brescia e Amisano - Teatro alla Scala
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Wieder einmal eine Saison-Eröffnung mit der Primadonna assoluta, die sich Schritt für Schritt das dramatischere Fach erobert und sich als geborene Schauspielerin in einem veristischen Opernkrimi sichtlich besonders wohlfühlt: Sie bezirzt Francesco Meli und erdrosselt Luca Salsi.

Die Inaugurazione, die Eröffnung der Opern-Saison, das war in Mailand einmal das exklusivste Ereignis. Alljährlich am Tag des Schutzpatrons St. Ambrosius zelebrierte man im Schimmer der Juwelen im Logenrund des Teatro alla Scala, egal wer sang, vor allem sich selbst. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert, auch zeitgemäße Herren mit offenen Hemdkrägen bezahlen die höchsten Eintrittspreise der Welt.

Seit geraumer Zeit dürfen aber auch weniger betuchte Opernfreunde mitzelebrieren. Arte überträgt live – und stellt die Aufnahme dann ins Netz (www.arte.tv). So darf man also mittlerweile sogar nachkontrollieren, wie sich eine Anna Netrebko mit der Tosca tut. Die Diva sorgte heuer wieder für Rekord-Einschaltquoten – und enttäuschte ihre Verehrer natürlich nicht.

Schon das Interview im Vorprogramm tut wohl in Zeiten eskalierenden Regisseurspsychologentums. Wenn sie etwa auf die Frage, was denn hinter Toscas wütenden Eifersuchtsausbrüchen stecke, meint: Die junge Frau sei einfach unsterblich verliebt.

So einfach hatten wir uns das früher einmal auch gedacht. Und dürfen es jetzt wieder denken angesichts der über weiteste Strecken vollkommen naturalistischen Inszenierung Davide Livermores. Mögen die von den Originalschauplätzen des Dramas inspirierten Dekorationen von Giò Forma auch einige Ungereimtheiten und „lebende Wandgemälde“ enthalten. Mag Kostümbildner Gianluca Falaschi auch einem erstaunlichen Hang zum Lkw-Design frönen. Die Scala-Bühne bot an diesem Eröffnungstag doch jede Gelegenheit zu realistischer Darstellung. Anna Netrebko braucht im Angesicht eines jugendlich-bösartigen Baron Scarpia, wie Luca Salsi einer ist, wohl gar keinen Regisseur, um den Widersacher filmreif zu ermorden: Dreimal sticht sie zu, dann erledigt sie das Problem mit dem Würgegriff; und kein Hollywood-Thriller könnte das glaubwürdiger auf die Leinwand bringen als Arte jetzt auf den Fernsehschirm.

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