Kritik

"Orlando" an der Staatsoper: Ein Hybrid in jeder Hinsicht

Mezzosopranistin Kate Lindsey gibt einen samtig androgynen Orlando.
Mezzosopranistin Kate Lindsey gibt einen samtig androgynen Orlando.APA/MICHAEL PÖHN
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Queer, zornig, zart, verwirrend: Olga Neuwirths „Orlando“ nach Virginia Woolf, am Sonntag in der Staatsoper uraufgeführt, setzt sich bewusst zwischen alle Stühle. Dennoch fast nur Jubel für einen opulent-überladenen Abend.

Vogelgezwitscher weht durch die Staatsoper, schon bevor Matthias Pintscher den Einsatz zur Uraufführung von „Orlando“ gibt. Dann bohren sich zarte, hohe Streichertöne in den Gehörgang, Bläser treten hinzu, ein brodelnder Cluster des ganzen Orchesters baut sich auf, reißt ab. In die Stille hinein sausen auf der Bühne Stockhiebe auf einen Sandsack nieder, der vom Schnürboden baumelt – ein szenisch-musikalisches Leitmotiv des Abends. Wie Donnerschläge hallen die Schläge wider, so, als würden sie durch Kellergewölbe verstärkt und das Haus in seinen Grundfesten erschüttert.

Ist es ein Akt der Restaggression angesichts der Tatsache, dass es bis 2019 gedauert hat, bis eine Komponistin nicht „nur“ eine Kinderoper, sondern ein abendfüllendes Auftragswerk der Wiener Staatsoper im Haus am Ring herausbringen konnte? Nein, eher sind die Schläge Symbol für einen nie endenden Kampf der Anderen, Unterdrückten, Marginalisierten um die ihnen zustehende Anerkennung zu betrachten, um Akzeptanz und Integration. Das ist eines der Lebensthemen von Olga Neuwirth. Aber die bebenden Fundamente der Staatsoper waren gewiss auch ein Ziel ihres „Orlando“.

Historische Musikzitate

Virginia Woolfs Roman (1928) über einen Jahrhunderte lang lebenden künstlerischen Menschen, der seine Existenz als Mann beginnt, später zur Frau wird, sich dabei als ein und dieselbe Person erlebt und die von der Gesellschaft geforderten Geschlechterrollen als unerhörte Einengung erkennt, wird – zumindest auch – als Liebeserklärung der Autorin an ihre Schriftstellerkollegin und Freundin Vita Sackville-West angesehen. Und bis zu einem gewissen Grad spiegelt sich natürlich auch Olga Neuwirth in Orlando. Vor allem aber wird diese „fiktive musikalische Biografie in 19 Bildern“, so der Untertitel, mit einer Überfülle von Ideen und mit einer Flut von Details angereichert, die Neuwirths musiktheatralischen Kosmos bestimmen.

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