Gastkommentar

Niedrige Löhne sind Teil des Problems, nicht der Lösung

Eine sinkende Lohnquote bedeutet Verzicht auf Wohlstand.

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Bewusst deftig ließ Industrieunternehmer Stephan Zöchling an dieser Stelle vor einigen Tagen gegen die Gewerkschaft vom Stapel, um gegen die Lohnabschlüsse in der Metallindustrie zu polemisieren. Die nüchternen Fakten sprechen allerdings nicht für einen zu hohen Abschluss, denn Lohnzurückhaltung ist in Österreich (und Deutschland) eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

Hinter der ritualisierten Lohnverhandlungsfolklore und der ebenso ritualisierten Berichterstattung darüber verschwinden manchmal die realen wirtschaftlichen Hintergründe. Die Lohnverhandlungen bestimmen, in welchem Ausmaß die Arbeitnehmer es schaffen, die durchschnittlichen Preissteigerungen der UnternehmerInnen abgegolten zu bekommen, also reale Lohnverluste vermeiden können, und ob sie ihren Anteil am Produktivitätszuwachs bekommen. Liegt der Lohnabschluss unter der Summe dieser beiden Kenngrößen, verzichten die ArbeitnehmerInnen zugunsten der Eigentümer und Aktionäre.

Nicht zuletzt hat Lohnzurückhaltung in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass die (um den Selbstständigen-Anteil bereinigte) Lohnquote seit 1981 um rund zehn Prozentpunkte auf 54,6 Prozent gesunken. Die Arbeitnehmer erhalten also ein immer geringeres Stück der Wirtschaftsleistung, die sie erbringen.

Gute Lohnabschlüsse sind aber nicht nur aus Gründen der Fairness geboten. Auch stärken sie durch höheren Konsum die Binnennachfrage, und damit einen wesentlichen Faktor zur Abschwächung der aktuellen Rezessionsgefahr. Trotz der vermeintlich gefährlichen Lohnabschlüsse verkauft Österreich mehr ans Ausland als wir aus dem Ausland beziehen. Wir produzieren mehr als wir konsumieren und leben somit volkswirtschaftlich unter unseren Verhältnissen. Ein höherer Konsum könnte den Lebensstandard der ÖsterreicherInnen somit anheben, ohne die Position österreichischer Unternehmen auf dem Weltmarkt zu beeinträchtigen.

Durch stetige Wiederholung nicht wahrer wird übrigens auch das Argument, von Lohnerhöhungen profitiere „nur der Finanzminister“. Bei einem durchschnittlichen Gehalt (2.360 Euro) und einer Steigerung von 2,6 Prozent erhöht sich das Jahresnettogehalt für eine Arbeitnehmerin um 2,1% - und die höheren Beiträge zur Sozialversicherung lohnen sich für die später höhere Pension und sowie für weitere Leistungen wie Arbeitslosen- oder Kinderbetreuungsgeld.

Niedrige Löhne, also einen geringeren Teil vom Kuchen für die Arbeitnehmer und einen größeren für die Eigentümer und Aktionäre: Es ist nicht überraschend, dass man sich das, wie Herr Zöchling, im Eigeninteresse wünscht. Es ist aber weder fair noch volkswirtschaftlich vernünftig.


Barbara Blaha (*1983) ist Leiterin des Momentum Institut, dem „Thinktank der Vielen“.

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