Crashkurs Arbeitsrecht

Arbeitsunfall bei einer (sportlichen) Firmenveranstaltung?

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Folge 73. Michael H. ist Angestellter in einem Planungsbüro. Die Geschäftsführung veranstaltet jedes Jahr ein Fußballturnier außerhalb der Arbeitszeit, bei dem alle Arbeitnehmer zur Teilnahme eingeladen werden. Das soll den Zusammenhalt der Belegschaft stärken und einen Ausgleich zur Bürotätigkeit bieten. Sogar der Chef nimmt jedes Jahr teil, um seinen besonderen Ehrgeiz zu zeigen. Beim Aufwärmen verletzt sich Michael H. am Knie. Im Krankenhaus fragt er sich, ob ein Arbeitsunfall vorliegt.

Vorliegen eines Arbeitsunfalles bei Firmenveranstaltungen

Im Zusammenhang mit Unfällen bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen stellt sich immer wieder die Frage des Unfallversicherungsschutzes. Nach ständiger Rechtsprechung des OGH ist der Unfallversicherungsschutz dann gegeben, wenn die Teilnahme an der Veranstaltung im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit steht.

Solche Veranstaltungen müssen den betrieblichen Interessen dienen und bezwecken, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten sowie der Beschäftigten untereinander, zu fördern. Daher muss die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen, zumindest aber den Angehörigen einer Abteilung, offenstehen. Als weiteres Kriterium wird eine gewisse Mindestbeteiligung an der Veranstaltung gefordert. Der Oberste Gerichtshof verneint beispielsweise das Vorliegen eines betrieblichen Konnexes, wenn lediglich sechs Prozent der Betriebsangehörigen an einer Veranstaltung teilnehmen.

Darüber hinaus muss die Veranstaltung vom Betriebsleiter selbst veranstaltet worden sein beziehungsweise unter seiner Aufsicht und Anweisung ausgeführt werden. Indizien dafür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder eines Vertreters, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung der Veranstaltung während der Arbeitszeit oder die Gewährung von arbeitsfreier Zeit. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, so muss dies noch keinen Versicherungsausschluss bedeuten, doch ist darauf abzustellen, inwiefern die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche private Interessen beteiligt sind. Entscheidend sind immer die konkreten Verhältnisse im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände.

Sportliche Aktivitäten

Auch sportliche Aktivitäten unterliegen dem Schutz der Unfallversicherung, wenn sie im betrieblichen Interesse liegen beziehungsweise der Betriebsverbundenheit dienen. Wird daher vom Dienstgeber zum Ausgleich für die meist einseitige Arbeitsbelastung ein Ausgleichssport organisiert, der bezweckt, Gesundheits- oder Körperschädigungen vorzubeugen, so steht ein dabei erlittener Unfall unter Versicherungsschutz.

Da der Ausgleichszweck im Vordergrund steht, wird von der Rechtsprechung das Erfordernis einer gewissen Regelmäßigkeit der Veranstaltungen abgeleitet. Dem OGH zufolge ist bei einem nur einmal im Jahr stattfindenden Fußballturnier beispielsweise nicht von einem Ausgleichssport für die Arbeitsbelastung auszugehen.

Betriebliches oder sportliches Interesse

Eine Abgrenzung ist auch zwischen betrieblichen und privaten Interessen vorzunehmen. Das betriebliche Interesse endet grundsätzlich dort, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annimmt und dieser bei der Sportart im Vordergrund steht. Ist das der Fall, ist die sportliche Veranstaltung grundsätzlich vom gesetzlichen Versicherungsschutz ausgenommen und auch nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten.

Das gilt selbst dann, wenn das Sportereignis vom Dienstgeber finanziert und organisiert wird und auch für etwaige Vorbereitungstätigkeiten, die mit der sportlichen Tätigkeit in einem engen Zusammenhang stehen. Darunter fällt unter anderem das Aufwärmen vor der Ausübung des wettkampfmäßig betriebenen Sports. Lediglich wenn die Durchführung der betrieblichen Arbeit mit einer Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt ist, besteht Versicherungsschutz ­– wie zum Beispiel bei Halbprofis.

Nach der Beurteilung des Höchstgerichts handelt es sich beim Fußballspiel um eine auf Zwei- und Ballkampf ausgerichtete Sportart, die auch durch besondere Verletzungsanfälligkeit gekennzeichnet ist. Daher ist die aktive Teilnahme daran im Allgemeinen vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausgenommen.

Fazit

Beim Fußballturnier, das die Firma von Michael H. veranstaltet, handelt es sich mangels Regelmäßigkeit nicht um die Ausübung eines Betriebssports, da es nur einmal im Jahr stattfindet und somit keine Ausgleichsfunktion erfüllt. Die Tatsachen, dass der Leiter des Unternehmens selbst teilnimmt und dass der Zusammenhalt der Belegschaft gestärkt werden soll, sprechen für die Wertung des Turniers als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Auch sportliche Betätigungen können im betrieblichen Interesse liegen beziehungsweise der Betriebsverbundenheit dienen.

Die Grenze zwischen betrieblichem und privatem Interesse verläuft dort, wo die Veranstaltung Wettkampfcharakter annimmt, was bei einem Fußballturnier zweifellos der Fall ist. Das Aufwärmen für das Turnier fällt in die Kategorie einer eng mit dem Ereignis in Verbindung stehenden Vorbereitungshandlung.

Michael H. hat im vorliegenden Fall also keinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz (OGH 10 Ob S 141/15f). In Hinblick auf die bevorstehende Skisaison und etwaige vom Dienstgeber veranstaltete Skiausflüge, sollten die dargestellten Kriterien beachtet werden.

Dr. Roland Heinrich ist Rechtsanwalt und Partner bei Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH (SCWP Schindhelm) am Standort Wels mit Schwerpunkt im Bereich des Arbeitsrechts.

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