Recht

Glyphosat-Verbot: Warum die Kanzlerin am Zug war

Traktor auf einem Feld verstreut Glyphosatzur Unkrautbek�mpfung McPBBO *** Tractor in a field sca
Traktor auf einem Feld verstreut Glyphosatzur Unkrautbek�mpfung McPBBO *** Tractor in a field sca(c) imago images / McPHOTO (McPHOTO via www.imago-images.de)
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An sich darf eine Regierungschefin Gesetze nicht inhaltlich prüfen. Doch in diesem Fall wollte das Parlament eine Bestätigung.

Wien. Im freien Spiel der Kräfte war das Glyphosat-Verbot im Juli im Nationalrat beschlossen worden. Nun wird daraus ein Streit zwischen Parlamentariern und der Regierung. Denn Kanzlerin Brigitte Bierlein kündigte an, dass das Gesetz wegen rechtlicher Bedenken nicht wie geplant am 1. Jänner 2020 in Kraft treten kann. Das ärgert SPÖ-Vizeklubobmann Jörg Leichtfried, dessen Fraktion das Gesetz damals initiiert hatte. „Die von der Bundeskanzlerin angekündigte Vorgangsweise entspricht in keiner Weise der Staatspraxis“, kritisiert er. „Nicht die österreichische Bundeskanzlerin kann die EU-Konformität dieses Gesetzesbeschlusses prüfen, sondern allein der dafür zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH)“, meint Leichtfried. Aber worum geht es hier genau?

Die Grundregeln. An sich darf die Kanzlerin die vom Parlament beschlossenen Gesetze nicht inhaltlich überprüfen. Ein vom Hohen Haus verabschiedetes Gesetz wird zunächst vom Bundespräsidenten unterschrieben, der das verfassungsgemäße Zustandekommen bestätigt. Die Kanzlerin bestätigt mit ihrer Unterschrift nur, dass zuvor der Bundespräsident unterschrieben hat. Ein Gesetz nicht kundzumachen und zurückzuhalten ist eigentlich nicht in den Rechten einer Kanzlerin enthalten.

Der konkrete Fall. Nur geht es in diesem Fall nicht darum, dass Bierlein ein Gesetz ganz verhindert. Das vom Parlament beschlossene Glyphosat-Verbot wurde sogar bereits im Juli kundgemacht – mit Bierleins Unterschrift. Doch in dem im Juli beschlossenen Gesetz selbst steht, dass es nur unter bestimmten Bedingungen ab 2020 in Kraft treten darf. Eine Bedingung ist, dass die Kanzlerin zuvor bestätigen muss, dass das Notifizierungsverfahren nach EU-Recht eingehalten wurde. Das Parlament selbst sorgte also dafür, dass das Inkrafttreten des Gesetzes von der Kanzlerin abhängt.

Das Verfahren. Die Kanzlerin verweigert nun die nötige Bestätigung für das Gesetz. Denn Bierlein meint, dass das Notifizierungsverfahren nicht korrekt durchgeführt wurde. Zuvor hatte bereits die EU erklärt, zu Österreichs Verbotsplänen keine inhaltliche Stellungnahme abgeben zu können, weil die Regeln nicht eingehalten wurden.

Doch worum geht es? Jeder Gesetzesentwurf eines EU-Staates, mit dem eine technische Vorschrift geändert wird, ist vorab nach Brüssel zu melden. Die EU kann dann Änderungsvorschläge machen, etwa, wenn sie bestimmte Punkte für europarechtswidrig hält (in der Union ist Glyphosat an sich bis 2022 zugelassen). Erst danach kann der Mitgliedstaat die Neuerung beschließen. Er ist nicht gezwungen, auf die Einwände aus Brüssel zu hören. Doch droht bei Zuwiderhandeln ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das Problem. Auch ein Verbot von Glyphosat ist eine technische Vorschrift. Österreich aber wandte sich nicht mit einem Entwurf an Brüssel, sondern erst mit dem bereits vom Parlament verabschiedeten Pflanzenschutzmittelgesetz.

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