Myanmar

Die Friedens­nobelpreis­trägerin, die sich gegen Genozid-Vorwürfe verteidigen muss

Aung San Suu Kyi wird in Den Haag vor Gericht ihr Land gegen den Vorwurf des Genozids verteidigen.
Aung San Suu Kyi wird in Den Haag vor Gericht ihr Land gegen den Vorwurf des Genozids verteidigen.REUTERS
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Der großteils muslimische Staat Gambia tritt als "Ankläger“ von Myanmar vor dem UNO-Gericht in Den Haag auf. De-facto-Staatschefin Aung San Suu Kyi hatte die Vorwürfe bisher heruntergespielt.

Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist in Den Haag, um ihr Land Myanmar vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Völkermord-Vorwürfe zu verteidigen. Der afrikanische Staat Gambia beschuldigte das Land am Dienstag des Völkermordes an der muslimischen Minderheit der Rohingya.

Myanmar müsse unverzüglich die Massenmorde und systematische Verfolgung der Volksgruppe stoppen, forderte der Generalstaatsanwalt von Gambia, Abubacarr Marie Tambadou, vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen. Aung San Suu Kyi, die De-Facto-Regierungschefin von Myanmar verfolgte äußerlich unbewegt in der ersten Reihe des Gerichts im Den Haager Friedenspalast die Anschuldigungen. San Suu Kyi soll sich am Mittwoch zu den Vorwürfen äußern und ihr Land verteidigen.

Der Justizminister und Generalstaatsanwalt Gambias, Abubacarr Marie Tambadou, beklagte vor den höchsten Richtern der Vereinten Nationen das Scheitern der internationalen Gemeinschaft. "75 Jahre nach dem Versprechen 'Nie Wieder' entfaltet sich vor unseren Augen erneut ein Völkermord." Er forderte Myanmar auf, die systematische Verfolgung der Volksgruppe zu stoppen.

Hunderttausende flohen aus Myanmar

Gambia stützt sich auf Berichte von UNO-Ermittlern, die dem Militär in Myanmar einen "anhaltenden Völkermord" vorwerfen. Seit 2017 hätten Soldaten Tausende Menschen ermordet, Frauen und Kinder vergewaltigt, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und Menschen lebendig in ihren Häusern verbrannt. Vor rund zwei Jahren waren mehr als 700.000 Menschen innerhalb kurzer Zeit wegen der Militärgewalt in das Nachbarland Bangladesch geflohen. Das Militär und die Regierung in Myanmar weisen die Vorwürfe zurück.

Gambia fordert eine einstweilige Verfügung gegen Myanmar, um die noch in dem Land verbleibenden rund 600.000 Rohingya zu schützen. Ein Urteil des Gerichts wird in wenigen Wochen erwartet. Der überwiegend muslimische, westafrikanische Staat Gambia wird von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) mit seinen 57 Mitgliedstaaten unterstützt.

Nicholas Bequelin, der zuständige Regionaldirektor von Amnesty International, erklärte am Dienstag zu dem IGH-Verfahren in einer Aussendung: "Es gibt einen Berg an Beweisen, dass das Militär von Myanmar Verbrechen gegen internationales Recht und schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die Rohingya-Bevölkerung begangen hat." Nichtsdestotrotz würden die Regierung und Aun San Suu Kyi die Anschuldigungen weiterhin zurückweisen, herunterspielen oder bestreiten. Auch andere Minderheiten in Myanmar seien von Repressionen des Militär betroffen. Aun San Suu Kyi möge sich zwecks Gerechtigkeit auf die Seite der Opfer und der Überlebenden stellen, forderte Bequelin.

Suu Kyi hätte nicht selbst anreisen müssen

Die Juristen legten den 17 Richtern Berichte und Aussagen von Augenzeugen vor, die "systematische Säuberungsaktionen der Armee" belegen sollen. Das Gericht müsse schnell eingreifen, denn die "Hasskampagne und systematische Verfolgung" gehe ungehindert weiter, warnten sie.

Es ist auffällig, dass Aung San Suu Kyi selbst ihr Land verteidigen will. Dazu wäre sie nicht verpflichtet. Vor 28 Jahren hatte sie den Friedensnobelpreis bekommen für ihren gewaltlosen Widerstand gegen Unterdrückung in ihrem Land durch das damalige diktatorische Militärregime. Weil sie sich bisher geweigert hatte, die Gewalt gegen die Rohingya zu verurteilen, waren ihr bereits mehrere internationale Auszeichnungen entzogen worden.

Einstweilige Verfügung

Das UNO-Gericht soll nach dem Willen Gambias und der OIC eine einstweiligen Verfügung gegen Myanmar erlassen, um die noch in dem Land verbleibenden rund 600.000 Rohingya zu schützen. Nach der auf drei Tage angesetzten Anhörung wird das Gericht beraten. Ein Urteil wird in wenigen Wochen erwartet. Das Hauptverfahren gegen Myanmar kann mehrere Jahre dauern. Urteile des Internationalen Gerichtshofs sind bindend.

"Gambia bittet Sie darum, dass Sie Myanmar auffordern, diese sinnlosen Tötungen und barbarischen Taten zu stoppen, die unser kollektives Gewissen weiterhin erschüttern", sagte Tambadou, der einst als Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda tätig war. Er warf der Armee in Myanmar "Massenmorde, Massenvergewaltigungen und Massenfolter" vor.

Es wird erwartet, dass die mittlerweile umstrittene Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi bei ihrer Anhörung am Mittwoch argumentieren wird, dass der Fall nicht in den Zuständigkeitsbereich des IGH falle, dass die Armee ihres Landes lediglich gegen Rohingya-Rebellen vorgegangen sei und, dass Myanmar in der Lage sei, eigene Untersuchungen zu führen.

(APA/dpa)

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