EU-Treffen

Eklat: Ungarn twittert aus nicht-öffentlicher Sitzung

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Symbolbild.APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Regierungssprecher Kovács kommentierte auf Twitter die Positionen anderer EU-Länder und nannte die anderen EU-Minister „Soros-Orchester“. Auch in der Sache wurde man sich mit Ungarn nicht einig.

Der ungarische Regierungssprecher Zoltán Kovács hat bei einem EU-Ministertreffen in Brüssel für einen Eklat gesorgt. Der Vertraute von Ministerpräsident Viktor Orban veröffentlichte am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter Kommentare zu Positionen anderer EU-Mitgliedstaaten, obwohl die Sitzung als nicht-öffentlich eingestuft war.

Schon vor Beginn hatte Kovács auf Twitter über einem Foto des Ratsgebäudes geschrieben: "Soros-Orchester ist dabei, die Bühne zu betreten." Später folgte ein Tweet, in dem er dem "Soros-Orchester" unter den Europaministern vorwarf, die EU in "ihren von Ideologie getriebenen politischen Kampf" zu ziehen.

Mehrere Delegationen beschwerten sich daraufhin beim Vorsitz, der nach einer juristischen Prüfung eine Rüge gegen Ungarn aussprach und eine schriftliche Stellungnahme anforderte, wie Diplomaten berichteten. "Das ist empörend", sagte die finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen, deren Land derzeit den Vorsitz unter den EU-Staaten innehat. "Jeder antisemitische Akt muss auf die schärfste mögliche Weise verurteilt werden." Auch der Bruch der Vertraulichkeit der Sitzung sei "eine ernste Angelegenheit".

Mit seinen über Twitter verbreiteten Kommentaren wollte Kovács offensichtlich versuchen, in der Öffentlichkeit Stimmung gegen das gegen sein Land eingeleitete Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags zu machen. Das Verfahren soll die ungarische Regierung dazu bewegen, die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Zudem sind unter anderem Minderheitenrechte und die Situation von Migranten und Flüchtlingen ein Thema.

Vorwürfe der Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit

Auch in der Sache blieben die Fronten beim Treffen der EU-Europaminister verhärtet: Die ungarische Justizministerin Judit Varga sprach wegen eines laufenden EU-Strafverfahrens gegen Budapest von einer "Hexenjagd". 

Der rechtskonservativen Regierung in Ungarn wird seit Jahren die Untergrabung von EU-Grundwerten vorgeworfen. Neben einer Reihe von Vertragsverletzungsverfahren läuft gegen Budapest ein Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann.

Beim Treffen der Europaminister fand nun zum zweiten Mal eine Anhörung des Landes statt, das dort durch Justizministerin Varga vertreten wurde. Sie beharrte darauf, dass das vom Europaparlament eingeleitete Strafverfahren auf "falschen Anschuldigungen" basiere und beendet werden müsse.

Die zuständige Vize-Kommissionspräsidentin Věra Jourová sagte nach dem Treffen, die Gespräche innerhalb des Strafverfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrages müssten fortgesetzt werden. "Die ungarische Seite hat versucht, uns davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung ist. Ich habe den Eindruck, dass es noch Bedenken gibt."

„Rückschritte“ befürchtet

EU-Justizkommissar Didier Reynders sprach gar von einer "Verschlechterung" der Lage. Auch Deutschlands Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) sagte vor Beginn, aktuelle ungarische Gesetzesinitiativen deuteten "eher daraufhin, dass es Rückschritte geben könnte".

Nichtregierungsorganisationen und die EU-Kommission werfen Budapest vor, systematisch die Unabhängigkeit der Justiz, die Pressefreiheit und die Rechte von Flüchtlingen und Minderheiten zu untergraben. Ungarns Regierung weist die Kritik mit Verweis auf ein vermeintliches Komplott des jüdischen US-Milliardärs George Soros zurück. Orbán beschuldigt den in Ungarn geborenen Geschäftsmann dabei, illegale Einwanderung in Ungarn über die Finanzierung von Hilfsorganisationen zu fördern.

(APA/dpa/AFP)

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