Nobelpreis

Nobelpreis für Peter Handke: „Er bleibt empfänglich in allem“

Peter Handke bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm.
Peter Handke bei der Nobelpreisverleihung in Stockholm.imago images/TT
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Sein Blick sei seine Sprache, hieß es in der Laudatio in Stockholm. Erdoğan nannte Handke am gleichen Tag einen „Mörder“. Der radikal rechte Publizist Götz Kubitschek rühmt seine „schlagähnliche literarische Aufklärung“.

Slogans wie „Kein Nobelpreis für Fake News“ waren auf den Transparenten der Demonstranten zu lesen, die am Dienstag Nachmittag vor dem Konzerthaus in Stockholm auf die 14 in Limousinen ankommenden Nobelpreisträger warteten – das heißt, eigentlich warteten sie alle nur auf einen, Peter Handke.
Die Nobelpreisverleihung selbst verlief ungestört. Anders Olsson, Autor und Mitglied der Schwedischen Akademie, hielt die Lobrede auf den österreichischen Autor, er rühmte dessen „bahnbrechende Meisterschaft der Sprache“: „Sein Blick ist seine Sprache, er bleibt empfänglich in allem.“ Handke schildere nicht die Metropole, sondern die Peripherie, er verweigere sich oft der Gleichförmigkeit unserer Zeit, und seine Gesinnung sei antinational.

1560 Gäste hatte man heuer zur Verleihung in das Konserthuset, das klassizistische Konzerthaus von Stockholm, eingeladen, darunter nur wenige Vertreter der von Handke ungeliebten Journalisten-Spezies: Zugelassen wurden zwölf internationale und sieben schwedische Printjournalisten. Bei dem anschließenden Bankett im Rathaus von Stockholm ist zumindest, was die Sitzordnung angeht, der zweiten Literaturnobelpreisträgerin, Olga Tokarczuk, die größte Ehre von allen 14 Nobelpreisträgern zugefallen: der Platz an der Tafel neben dem schwedischen König, Carl XVI. Gustaf, und gegenüber von Königin Silvia. Gespeist wurde in Frack und Abendkleid und wie gewohnt auf dem eigens angefertigten Nobelpreisgeschirr.

Kritik an Handke

In den letzten Stunden vor der Übergabe des Nobelpreises fielen noch einmal heftige Worte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, sonst nicht als Vorkämpfer für Menschenrechte bekannt, verkündete sogar, Handke sei eine „rassistische Person“: „Dass am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, der Literaturnobelpreis einer rassistischen Person gegeben wird, die den Genozid in Bosnien und Herzegowina leugnet und Kriegsverbrecher verteidigt, hat keine andere Bedeutung, als Verstöße gegen Menschenrechte auszuzeichnen“. Und die in Schweden lebende gebürtige Bosnierin Teufika Sabanovic, Mitinitiatorin der am Dienstag stattfindenden Protestdemonstrationen sagte, Handke betreibe Geschichtsrevisionismus.

Dafür kam am Dienstag Schützenhilfe für Handke vom intellektuellen Aktivisten der „Neuen Rechten“ in Deutschland Götz Kubitschek. Handke, schreibt er in einem auf der Website sezession.de veröffentlichten Text, betreibe „schlagähnliche literarische Aufklärung darüber, dass da tatsächlich wieder ein ganzes Volk zur düsteren Projektionsfläche“ gemacht worden sei. Handkes „Winterliche Reise“ sei „ein suggestives Zerschlagen einer ungerechten Großerzählung“.

Auschwitz und Srebrenica

Kubitschek vergleicht auch die Rolle der Serben in Europa nach dem Krieg mit der Rolle der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg: „Wir wissen das, wir kennen das. Wir wissen, wie dieses Festlegen und Starrstellen der Deutschen nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg betrieben wurde: die Deutschen – starrgestellt auf ihre Rolle als Völkermörder, Kriegstreiber, Rassisten, Antisemiten, Wegschauer, Duckmäuser, als widerlegte Nation ( . . . ) die Deutschen als Volk, das umerzogen werden müsse, sprich: seine Identität wenigstens in Teilen aufzugeben und die Neugestaltung dieser Identität fremden Kräften zu überlassen habe.“ Zu dieser Identität, so Kubitschek weiter, gehöre „der Gründungsmythos Auschwitz. „Der Deutschen Auschwitz ist den Serben Srebrenica, die nationalsozialistischen KZs sind die serbischen Lager in der Republika Srpska“. „Wie wir Deutschen nach dem Krieg auf die Rolle der Schuldigen und Grausamen festgelegt worden sind, wurden ,die Serben‘ ( . . . ) auf die Rolle der Schuldigen und Grausamen der jugoslawischen Erbfolgekriege festgelegt, wenn auch in anderer Dimension als ,die Deutschen‘.“

Albanien, Kosovo, die Türkei und Kroatien boykottierten Verleihung

Albanien, Kosovo, die Türkei und Kroatien hatten zuletzt erklärt, protesthalber der Verleihung fern zu bleiben. Das kroatische Außenamt begründete den Boykott am Montagabend mit Handkes „Unterstützung der großserbischen Politik von Slobodan Milošević in den 1990er-Jahren“. Auch die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) mit Sitz in Frankfurt am Main meldete sich am Dienstag mit einer Aussendung zu Wort: „Der Literaturnobelpreis für Handke ist eine Verhöhnung der Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, Handke habe sich nie um Ausgleich bemüht. Dass der Literaturnobelpreis am Tag der Menschenrechte verliehen werde, sei „ein weiterer Schlag in das Gesicht der Opfer“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2019)

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