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„Hyperspace“: Stars, Blitze und ereignisarme Tage

Beck Hyperspace (Capitol/Universal)
Beck Hyperspace (Capitol/Universal)(c) Capitol/ Universal
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Was kommt heraus, wenn sich Sound-Maximalist Beck mit dem Dancefloor-Minimalisten Pharrell Williams zusammentut? Ein kühles, aber auch souliges Album.

Pharrell Williams, das ist der 46-jährige afroamerikanische Wunderproduzent, dem 2013 mit „Happy“ ein globaler Wohlfühlhit geglückt ist (und mit „Lucky“, gemeinsam mit Daft Punk, ein zweiter). Als Beck, der auch schon 49-jährige ewige Student des Alternative-Pop, mit diesem Mann zu arbeiten beschloss, stellte er sich natürlich vor, dass dabei ein Dancemusic-Album herauskommen werde. Doch genau das wollte Pharrell Williams nicht: So ist „Hyperspace“ ein richtiges Songwriter-Album geworden.

Von den elf Titeln sind sieben von den beiden gemeinsam kreiert. Das ist deshalb so interessant, weil Beck von der Ästhetik her ein leidenschaftlicher Maximalist, Pharrell Williams aber ein ebenso überzeugter Minimalist ist. In der Mitte trafen sich die beiden selten. Meist dominiert Williams, wie im verträumten „Uneventful Days“, wo mit wenigen Elementen viel Atmosphäre gemacht wurde. „I tried to keep my hands off the music as much as I could“, erläuterte Beck dieses verschlafene Stück Elektro-Soul.

Und Chris Martin seufzt dazu

Bei anderen Songs reicherte Beck Williams' karge Soundskizzen bedenkenlos mit barockem Zierrat an. Das darf man ihm nicht übel nehmen, ist „Hyperspace“ doch ein Scheidungsalbum. Es reflektiert die kürzlich erfolgte Trennung von Schauspielerin Marissa Ribisi. Im Schmerz neigt der Mensch zu Übertreibungen. „I don't want to hurt you, I don't want to let you go“, singt er in der pathetischen Pose eines Soul-Softies in „Uneventful Days“. Auch „See Through“ führt auf schmerzensschönes Territorium. Die Beats blubbern gegenläufig, wenn Beck die markante Zeile „I feel so ugly when you see me through“ intoniert. Nur an wenigen Stellen dominiert seine Blue-eyed-Soul-Stimme. Oft flirtet er mit emotionaler Indifferenz. Die nicht selten epischen Synthieflächen klingen oft wie naive Zukunftsvisionen aus den Achtzigerjahren. Zudem setzen zuweilen überirdisch klingende Chöre ein, um den Schmerz und die Verwirrung dieses Mannes zu illustrieren.

Wohl um sein Weh zu objektivieren, ließ Beck Gastvokalisten wie Sky Ferrara und Chris Martin ran. Martin, der engagierte Weichspülersänger der britischen Band Coldplay, behübscht den Song „Stratospheres“ mit seinen berüchtigten Seufzern. Der wildeste Moment des Albums kommt im dritten Song: Das rüde „Saw Lightning“ pocht konsequent ans Ohr. Mit seinen abenteuerlich geschichteten Rhythmen macht es die Blitze, von denen im Song die Rede ist, beinah hörbar.

Keine Blitze, aber Licht sah in den Siebzigerjahren Todd Rundgren in seinem einzigen großen Hit, „I Saw The Light“. Danach produzierte er eine Vielzahl an großartigen Alben in unterschiedlichster Stilistik, ohne je wieder ans ganz große Publikum zu kommen. Beck ergeht es ähnlich. Wie Rundgren ist er ein Alleskönner im Studio, der sich in seiner Karriere in viele Posen geworfen hat. Den Slacker, also den anpassungsunwilligen Jugendlichen, hatte er am besten drauf. Becks einziger Welthit, „Loser“, stammt aus dieser Phase. Das ist auch schon 26 Jahre her. Jetzt sieht es so aus, als wolle er mithilfe von Pharrell Williams aus dem Gefängnis des Alternative-Pop ausbrechen. Und das glückt über weite Strecken ausgezeichnet. Wundersamerweise mutet dieses gekonnt durchproduzierte Album an keiner Stelle kalt an. Auch das Kontrapunktische begeistert. Becks souligem Gesang werden etwa sanfte, kühle Keyboardsounds entgegengestellt.

Gegen Ende kommen aber doch noch Hitzen auf. Paul Epworth, der Mann, der Adeles Welthit „Rolling In The Deep“ komponiert hat, setzte sich für „Stars“ mit Beck zusammen. Auf dem verschummerten Stück, das mit markantem Bass und ungeniert infantilem Keyboard-Motiv erfreut, verlockt Beck zu Gesang à la Beatles. Ein Zurück-in-die-Zukunft-Gefühl stellt sich auch hier ein, wenngleich hier mit ganz anderen musikalischen Mitteln gearbeitet wurde als bei den Songs, die Williams (mit)gestaltet hat.

So ist „Hyperspace“ ein Album, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt. Niemand sollte sich vom artifiziellen Klangbild schrecken lassen. Hinter der glitzernden Oberfläche lauern profunde Einsichten und griffige Melodien. Die Hoffnung auf ein gemeinsames Dancefloor-Album mit Pharrell Williams hat Beck indessen nicht aufgegeben. Nächsten Juli wird er 50. Da kommt die nächste Krise. Der könnte er mit einem hippen Dancefloor-Album begegnen. Die Telefonnummer von Pharrell Williams hat er ja jetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2019)

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