Verfassungswidrig

VfGH kippt türkis-blaues "Sicherheitspaket" weitgehend

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Viele der von ÖVP und FPÖ beschlossenen Überwachungsmaßnahmen sind verfassungswidrig: Der „Bundestrojaner" und die automatische Auswertung von Video- und Section-Control-Daten werden aufgehoben.

Videoüberwachung, Registrierung von Handywertkarten und die Speicherung von Daten: Die türkis-blaue Regierung hat 2018 ein breites Überwachungspaket beschlossen. Am Mittwoch stand es auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Das haben Neos und SPÖ bewirkt, indem sie sich auf eine gemeinsame Drittelbeschwerde geeinigt haben. 61 Nationalratsabgeordnete der beiden Parteien (insgesamt ein Drittel) fochten damit unter anderem den „Bundestrojaner" und die Datenerfassung mittels Videoüberwachung auf Autobahnen an.

Nun bekamen sie - zum Teil - recht. Denn: Wie der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs, Christoph Grabenwarter, bekanntgab, seien die Inhalte des Paketes (die Maßnahmen sollten ab April 2020 gelten) über weite Strecken hin als verfassungswidrig zu klassifizieren. Aufgehoben wurden unter anderem Bestimmungen über den „Bundestrojaner" sowie über die automatische Auswertung von Video-und Section-Control-Daten über Autofahrer.

Diese verdeckte Überwachung von Computersystemen wäre aus Sicht der Verfassungsrichter „nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter zulässig", zitierte Grabenwarter aus dem Erkenntnis des Höchstgerichts.

Insbesondere kritisiert der Verfassungsgerichtshof, dass die geplanten Überwachungsmaßnahmen keinen ausreichenden Schutz von in die Überwachung einbezogenen unbeteiligten Dritten vorsehen. Die Überwachung von Computersystemen erlaube „Einblick in sämtliche, auch höchstpersönliche Lebensbereiche" und lasse Rückschlüsse auf die Gedanken, Vorlieben, Neigungen, Orientierungen und Gesinnungen der Anwender zu. Dies sei nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter zulässig.

Zwar räumte Grabenwarter ein, dass auch von anderen Überwachungsmaßnahmen wie etwa Videoüberwachung oder Observation unbeteiligte Dritte betroffen sein können. Die verdeckte Infiltration von Computersystemen erreiche aber eine „signifikant erhöhte Streubreite".

SPÖ: "Massive Eingriffe in Persönlichkeitsrechte verhindert"

SPÖ und Neos zeigten sich am Mittwoch äußerst erfreut über den Spruch der Höchstrichter. „Das ist ein großer Erfolg für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Österreich und schützt unsere freie Gesellschaft", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. „Massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte konnten verhindert werden. Mit uns wird es keinen Überwachungsstaat geben", betonte sie. Neos-Vizeklubchef Niki Scherak sprach von einem "fulminanten Sieg für die Freiheit".

Empört reagierte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl: Der heutige Tag sei ein "Feiertag für die organisierte Großkriminalität und den terroristischen Extremismus“, meinte der ehemalige Innenminister. Die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, freute sich indes, dass der VfGH Kickls "Überwachungsfantasien einen Riegel vorgeschoben" hat.

Auch die Internet Service Providers Austria (ISPA) zeigten sich mit der Aufhebung "sehr zufrieden". Den Bedenken sei schlussendlich gefolgt worden. Nun brauche es einen gemeinsamen Dialog zur Suche nach neuen Lösungen. Durch den VfGH sei heute der digitale Wirtschaftsstandort gestärkt worden, betonte ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert.

Erfreut zeigte sich auch der Verein epicenter.works. Der Einsatz des Bundestrojaners hätte nämlich nicht nur eine Aufweichung der IT-Sicherheit bedeutet, sondern es wäre auch die bloße "geheime" Vor-Ort-Installation eines Trojaners (in den Räumlichkeiten des/der Verdächtigen) ohne richterlichen Beschluss ein "katastrophales Zeichen" für die Rechtssicherheit eines Beweisverfahrens. Zudem würde ein Bundestrojaner nicht nur die betroffene Kommunikation, sondern auch "alles andere abhören" können.

"Wir sind sehr zufrieden, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Bundestrojaner im Wesentlichen als verfassungswidrig aufgehoben hat", kommentiert ISPA Generalsekretär Maximilian Schubert die heutige Entscheidung. "Auch wenn wir uns gewünscht hätten, dass die beständige und fundierte Kritik aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bereits vor zwei Jahren ernst genommen worden wäre“, führt Schubert weiter aus.

(APA/Red.)

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