Entschädigung

Deutschland will Thomas-Cook-Kunden finanziell helfen

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Aus Angst vor Prozessen werden Millionen fließen. Auchtausende Österreicher könnten profitieren.

Die deutsche Regierung will bei der Entschädigung von Pauschalurlaubern des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook einspringen. Da der zuständige Versicherer nicht für den gesamten Schaden aufkommen werde, übernehme der Bund den Betrag, der deutschen Kunden nicht ersetzt werde, teilte die Regierung am Mittwoch mit.

"Wir wollen das Vertrauen dieser Menschen nicht enttäuschen", sagte Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht. "Sie sollen nicht die Leidtragenden dieser unvorhergesehenen Situation und der unklaren Rechtslage sein." Im Gegenzug übernehme der Bund die Ansprüche und werde diese aus einer Hand verfolgen. Ziel sei es, damit eine "erhebliche Prozesslawine" zu verhindern und die Schäden für die Steuerzahler so gering wie möglich zu halten.

Im Sog der Insolvenz des britischen Mutterkonzerns im September war auch Thomas Cook in Deutschland in den Abwärtsstrudel geraten. Der Versicherer Zurich steht für die Schäden in Deutschland gerade, muss aber nur bis zum gesetzlichen Deckel von insgesamt 110 Millionen Euro aufkommen. Dem Unternehmen wurden aber bis Anfang November bereits Schäden von 250 Millionen Euro gemeldet. Zurich will in den nächsten Tagen bekanntgeben, welche Zahlungen Thomas-Cook-Kunden erhalten werden. Experten rechnen mit einem Gesamtschaden von 300 bis 500 Millionen Euro. Laut Lambrecht ist die genaue Summe noch unklar.

Von der geplanten deutschen Regelung würden auch tausende Österreicher profitieren - laut Peter Kolba, dem Obmann des heimischen Verbraucherschutzvereins (VSV), nämlich jene rund 5.000 Österreicher, die in Deutschland gebucht haben - etwa bei der Thomas Cook GmbH, bei Öger Tours oder bei Bucher Reisen. Das betrifft im Sinne der EU-Pauschalreiserichtlinie nur Pauschalreisen, nicht aber Einzelbuchungen, hatte Kolba Ende November der APA erklärt. Damals hatte auch der VSV angekündigt, in Deutschland den Rechtsweg einschlagen zu wollen, weil man die Haftungsobergrenze von 110 Mio. Euro für EU-rechtswidrig halte.

Die Opposition warf der deutschen Regierung am Mittwoch eine Mitschuld vor. "Die große Koalition hat eine effektive Kundengeldabsicherung seit 2017 fahrlässig verschleppt", sagte der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge. "Für diese Inkompetenz müssen jetzt alle Steuerzahler haften." Die Grünen-Politiker Markus Tressel und Tabea Rößner sprachen von einem Schuldeingeständnis. "Mit der Begrenzung der Haftungssumme hat die Bundesregierung den Reisekonzernen jahrelang niedrigere Versicherungsprämien beschert." Jetzt gebe man "Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe aus, um diesen Fehler zu korrigieren".

Regierung will Insolvenzschutz neu regeln

Ministerin Lambrecht widersprach dem Vorwurf, der Bund habe mit seinem Deckel von 110 Millionen Euro eine EU-Richtlinie zum Reiserecht unzureichend umgesetzt. Vielmehr sei berücksichtigt worden, dass es früher keine Schäden über 30 Millionen Euro gegeben habe. Die gesetzliche Obergrenze sei dann deutlich höher angesetzt worden. "Deshalb war es auch durchaus eine vernünftige Umsetzung der Reiserichtlinie", sagte die SPD-Politikerin. Die deutsche Regierung arbeite mit Hochdruck daran, offene Rechtsfragen zu klären und in Abstimmung mit der Branche und Versicherern den Insolvenzschutz neu zu regeln.

Externe Berater sollen Branchenkreisen zufolge zum Jahreswechsel Alternativen bis hin zu Handlungsempfehlungen vorlegen, die Anfang 2020 in einen Gesetzesentwurf münden sollen. Lambrecht stellte in Aussicht, dass man im Frühjahr einen Vorschlag vorlegen werde, um das Problem zu lösen. Jüngst hatten die deutschen Länderjustizminister den Bund aufgefordert zu prüfen, wie man die Deckelung von 110 Millionen Euro erhöhen sollte.

Der Reiseverband DRV, der die Interessen der Pauschalanbieter vertritt, hat bereits gewarnt, dass neue Modelle für den Insolvenzschutz "versicherbar bleiben" müssten und die Finanzkraft der Firmen nicht überfordern dürften. "Was die Branche nicht braucht, ist eine Sozialisierung der Risiken", hatte DRV-Präsident Norbert Fiebig am Dienstag betont und sich gegen eine Fonds-Lösung ausgesprochen. Die Versicherungsbranche plädiert für ein mehrstufiges System, bei dem Unternehmen je nach Umsatz ausreichend Versicherungsschutz einkaufen könnten. Zudem sollten Versicherer im Schadenfall nicht gezwungen sein, zum "Ersatz-Reiseveranstalter" zu werden und so die Rückführung von Touristen organisieren zu müssen

(APA/Reuters)

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