Sicherheitspaket

Welche türkis-blauen Überwachungsmaßnahmen bleiben

Vizepräsident des VfGH, Christoph Grabenwarter
Vizepräsident des VfGH, Christoph GrabenwarterAPA/HANS PUNZ
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Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, Briefgeheimnis - lauten drei der Punkte, die die Höchstrichter als verfassungskonform ansehen.

Mit ihrem "Sicherheitspaket", von Kritikern als "Überwachungspaket" bezeichnet, hat die ÖVP/FPÖ-Koalition 2018 eine deutliche Ausweitung der Überwachung im öffentlichen und im privaten Bereich durchgesetzt. Der Verfassungsgerichtshof hat nun zentrale Elemente in zwei Bereichen - "Bundestrojaner" und Autofahrerüberwachung - aufgehoben. Andere Eingriffe bleiben aber bestehen.

VERKEHRSÜBERWACHUNG (aufgehoben): Neben dem Kennzeichen der Autos sollten auch Marke, Typ und Farbe sowie Informationen zum Lenker automatisch erfasst werden. Das Innenministerium wollte dafür stationäre und mobile Kennzeichenerkennungssysteme ankaufen, auch Daten der "Section Control" sollten verwendet werden. Warnungen, dass damit ein flächendeckendes Bewegungsprofil von Verkehrsteilnehmern erstellt werden könnte, wurde von ÖVP und FPÖ nicht berücksichtigt.

Vom VfGH wurde diese Bestimmungen nun aufgehoben. "Durch eine solche verdeckte, automatische Datenerfassung von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern kann in großen Teilen der Bevölkerung das 'Gefühl der Überwachung' entstehen. Dieses 'Gefühl der Überwachung' kann wiederum Rückwirkungen auf die freie Ausübung anderer Grundrechte - etwa der Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit - haben", begründete Vizepräsident Christoph Grabenwarter den Spruch.

BUNDESTROJANER (aufgehoben): Zum Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Skype war die Installation von Überwachungssoftware auf den Handys und Computern verdächtiger Personen geplant. Dieser "Bundestrojaner" sollte ab April 2020 zum Einsatz kommen - und zwar bei Verdacht auf Straftaten, die mit mehr als zehn Jahren Haft bedroht sind (bzw. fünf Jahre, wenn Leib und Leben oder sexuelle Integrität gefährdet sind sowie bei Verdacht auf terroristische Straftaten). Datenschützer kritisierten, dass der Staat damit Sicherheitslücken in Computersystemen ausnützen wolle, die auch von Kriminellen genutzt werden können, anstatt diese Sicherheitslücken zu schließen.

Der VfGH sah darin eine "besondere - den anderen Überwachungsmaßnahmen der Strafprozessordnung nicht gleichzuhaltende - Intensität" der Überwachung. Auch eine Vielzahl an Unbeteiligten werde dadurch einbezogen. Die vertrauliche Nutzung von Computersystemen und digitalen Nachrichtendiensten sei "wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens" gemäß der europäischen Menschenrechtskonvention, argumentierten die Höchstrichter. Hier einzugreifen wäre "nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz entsprechend gewichtiger Rechtsgüter" zulässig.

Geblieben sind aber weitere Eingriffe:

VORRATSDATEN: Die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung haben die Höchstgerichte 2014 gekippt. Stattdessen hat die Staatsanwaltschaft nun das Recht, die Telekombetreiber zur Speicherung der Daten einzelner Kunden zu verpflichten ("Anlassdatenspeicherung" oder "Quick-Freeze"). Gespeichert wird u.a. wer mit wem telefoniert und wo er sich dabei aufhält. Obwohl Vorratsdaten laut EU-Recht nur zur Aufklärung schwerer Straftaten verwendet werden dürfen, ist die Anlassdatenspeicherung bereits ab einem drohenden Strafrahmen von sechs Monaten erlaubt. Außerdem ist sie bis zu zwölf Monate lang zulässig - bei der Vorratsdatenspeicherung waren es nur sechs Monate.

VIDEOÜBERWACHUNG: Abseits der Verkehrskameras bleibt auch nach dem VfGH-Urteil die Videoüberwachung ein Schwerpunkt des Pakets. Die Polizei erhält Zugriff auf Überwachungskameras von öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein staatlicher Versorgungsauftrag zukommt (also u.a. Verkehrsbetriebe, Autobahnen, Flughäfen), wobei auch ein Echtzeit-Zugriff via Livestream vorgesehen ist. De facto umgesetzt dürfte das aber noch nicht sein - die Wiener Linien sagten am Mittwoch, dass die technischen Voraussetzungen dafür noch fehlten. Außerdem müssen die Aufnahmen auf Aufforderung gespeichert werden.

BRIEFGEHEIMNIS: Deutlich aufgeweicht hat die türkis-blaue Koalition mit dem Gesetzespaket das Briefgeheimnis. Die Beschlagnahme von Briefen ist nun zulässig, wenn das zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat nötig ist, die mit mehr als einem Jahr Haft bedroht ist. Begründet wird das mit der Bekämpfung von Drogenlieferungen.

Weitere Punkte des Überwachungspakets sind u.a. die verpflichtende Registrierung von Handywertkarten seit Anfang 2019 und eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von IMSI-Catchern zur Handy-Überwachung. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelefon wie eine Funkzelle (Basisstation). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetreibers zu lokalisieren. Gesprächsinhalte sollen nicht abgehört werden, was allerdings Kritiker befürchten.

(APA)

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