Häusliche Gewalt

Russland: Kulturkrieg um Gewaltschutzgesetz

„Mein Körper ist kein Schlachtfeld“: Eine Aktivistin demonstriert in St. Petersburg gegen Gewalt gegen Frauen.
„Mein Körper ist kein Schlachtfeld“: Eine Aktivistin demonstriert in St. Petersburg gegen Gewalt gegen Frauen.Sergei Konkov/TASS
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Aktuell gibt es einen neuen Anlauf für ein Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Doch ultrakonservative Aktivisten wollen es unbedingt verhindern. Sie diffamieren die Initiative als Gefahr für sogenannte traditionelle Werte.

Moskau. Aljona Popowa kämpft für ein Gewaltschutzgesetz in Russland. Wegen einer guten Freundin. Deren Ehemann schlug mit der Faust auf die junge Frau ein. Viele Male. Auf den Bauch. Sie war schwanger. Das Kind verlor sie. Sie überlebte. Als Aljona Popowa ins Krankenhaus kam, stand der Ehemann dort. Die Freundin sagte: „Ich bin selbst schuld.“ Der Polizei hatte sie erzählt, sie sei von der Treppe gestürzt. Popowa war schockiert. Doch sie konnte nichts tun. Von einem Unbeteiligten würde man keine Anzeige annehmen.

Aljona Popowa bekommt heute noch eine Gänsehaut, wenn sie diese Geschichte erzählt. Seit dem Vorfall vor sechs Jahren hat sie Jus studiert und die Kampagne „Du bist nicht allein“ gegründet, die Opfern häuslicher Gewalt hilft.

Dieser Tage hat die 36-jährige zierliche Frau mit den dramatisch geschminkten Wimpern ein Treffen nach dem anderen. Es ist ein entscheidender Moment für Russland: Das Land soll ein Gewaltschutzgesetz bekommen. Endlich. In den vergangenen drei Jahrzehnten gab es unzählige Anläufe dafür. Eingebracht hat es der Föderationsrat, die zweite Parlamentskammer. Dessen Vorsitzende, die konservative Politikerin und Putin-Vertraute Valentina Matwienko, unterstützt das Vorhaben.

Lobbying vor der Toilettentür

Auch Matwienko kennt die besorgniserregende Statistik: Ein Fünftel der russischen Frauen erlebt laut einer Umfrage der staatlichen Statistikbehörde Rosstat körperliche Gewalt im Privaten. Umgerechnet sind das rund 15 Millionen Frauen. Aber nur knapp 50.000 Frauen scheinen in einer aktuellen Statistik des Innenministeriums als Opfer häuslicher Gewalt auf.

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