Energieversorgung

EU-Kommissar warnt USA vor Sanktionen wegen Nord Stream 2

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Mehrere europäische Firmen, unter ihnen auch die österreichische OMV, beteiligen sich an der Finanzierung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Der US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern.

Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen Firmen, die Schiffe für die Verlegung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zur Verfügung stellen, auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten votierten am Mittwochabend (Ortszeit) mit 377 zu 48 Stimmen für ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in das das Sanktionsgesetz eingefügt worden war.

Erwartet wird, dass der Senat das Paket noch vor Beginn der Sitzungspause Ende nächster Woche verabschiedet. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das Weiße Haus hat bereits deutlich gemacht, dass US-Präsident Donald Trump das Gesetzespaket unterzeichnen wird.

Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in Abhängigkeit von Russland begeben würde. Die deutsche Wirtschaft in Russland verurteilte die geplanten Sanktionen als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und rief die deutsche Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen auf.

"Unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist klar: Wir lehnen diese ab", teilte das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag mit. Zugleich verwies das Ministerium darauf, dass eine Abstimmung im Senat in Washington noch nicht stattgefunden habe. Wie der US-Senat sich verhalten werde, werde nun "genau" beobachtet werden.

EU-Handelskommissar Phil Hogan warnte die USA vor der Verhängung von Sanktionen. "Die EU wendet sich prinzipiell gegen die Verhängung von Sanktionen gegen EU-Unternehmen, die legitime Geschäfte betreiben", sagte der Ire am Donnerstag in Brüssel.

Seit der Änderung der EU-Gasrichtlinie im Mai seien klare Regeln für den Betrieb von Pipelines wie Nord Stream 2 in Kraft. Aus Sicht der Kommission gehe es darum, dass Nord Stream 2 in transparenter und diskriminierungsfreier Weise operiere, und dass es eine angemessene Regulierungsaufsicht in Einklang mit den Prinzipien des internationalen und europäischen Energierechts gebe.

Die Frage, ob die EU im Fall der Verhängung von US-Sanktionen auf jeden Fall mit Vergeltungsmaßnahmen antworten würde, beantwortete Hogan allerdings ausweichend. Man wolle sich die US-Pläne zunächst genau anschauen, sagte er.

Auch innerhalb der EU ist die Pipeline umstritten. Zahlreiche EU-Staaten monieren wie die USA, dass die Leitung von Russland nach Deutschland die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland verstärke und den Interessen osteuropäischer EU-Staaten und Partnerländer wie der Ukraine schade. Letzteres ist dadurch zu erklären, dass russisches Gas bis jetzt durch Osteuropa in Richtung Westen geleitet wird. Länder wie die Ukraine und Polen verdienen daran über sogenannte Durchleitungsgebühren viel Geld.

300 Kilometer fehlen noch

Der Betreiber der Pipeline selbst will sich nicht zu den näherrückenden US-Sanktionen äußern. "Uns sind die politischen Debatten sowie die Gesetzesinitiativen im US-Kongress bekannt", teilte ein Sprecher der Nord Stream 2 AG im schweizerischen Zug mit. "Wir können uns zu etwaigen Auswirkungen auf unser Projekt nicht äußern."

Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern. Bisher wurden nach Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2100 Kilometer des Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Der US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern. Die Sanktionen könnten es zumindest verzögern.

Auch Turkish Stream betroffen

Die Sanktionen im "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" zielen auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Auch Turkish Stream - eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei bringen soll - wäre betroffen. Die Sanktionen sollen auch für Folgeprojekte beider Pipelines gelten.

Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden. Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen, die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA beziehen, sollen blockiert werden können.

Nord Stream 2 kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Mehr als 90 Prozent der Strecke sind bereits fertiggestellt.

Sowohl Präsident Trump als auch Demokraten und Republikaner aus beiden Kammern des Kongresses laufen seit langem Sturm gegen Nord Stream 2. Die Auswärtigen Ausschüsse im Repräsentantenhaus und im Senat hatten bereits vor Monaten mit überwältigenden Mehrheiten Gesetzesentwürfe mit Sanktionen zu Nord Stream 2 verabschiedet. Kritiker verweisen darauf, dass die USA sich darum bemühen, ihr eigenes Flüssiggas in Europa zu verkaufen.

Die Ukraine hat die geplanten Sanktionen der USA gegen Firmen im Zusammenhang mit der Ostseepipeline Nord Stream 2 begrüßt. "Gute Nachrichten aus den Vereinigten Staaten", schrieb Regierungschef Alexej Gontscharuk am Donnerstag bei Twitter. Präsident, Regierung und Parlament würden weiter für die ukrainische Energiesicherheit kämpfen. Das Büro von Staatschef Wolodymyr Selenskyj teilte mit, Nord Stream 2 sei ein "politisches Projekt, das die Energiesicherheit von Europa unterminiere."

(APA/dpa)

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