Preisabsprache

65,5 Millionen Euro Kartellstrafe für Voestalpine

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Das deutsche Bundeskartellamt ahndet Preisabsprachen bei Quartoblechen mit hohen Strafen. Insgesamt werden Bußgelder von 646 Millionen Euro verhängt.

Das Bundeskartellamt hat Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 646 Millionen Euro gegen die Salzgitter-Tochter Ilsenburger Grobblech GmbH, die thyssenkrupp Steel Europe AG und die voestalpine Grobblech GmbH sowie drei verantwortliche Personen verhängt, weil sie sich über bestimmte Aufpreise und Zuschläge für Quartobleche in Deutschland ausgetauscht und verständigt haben. Die kartellrechtswidrige Absprache wurde von Mitte 2002 bis Juni 2016 praktiziert. Die hieran ebenfalls beteiligte Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke hat als erstes Unternehmen mit dem Bundeskartellamt kooperiert und hierfür einen vollständigen Erlass der Geldbuße erhalten.

Das Bußgeld, das die Voestalpine-Firma entrichten muss, beträgt 65,5 Millionen Euro. Auf Thyssenkrupp entfallen 370 Millionen Euro. Der deutsche Konzern hat eine Rückstellung in dieser Höhe vor kurzem mitgeteilt.

Behördenchef Andreas Mundt berichete am Donnerstag, dass von Juli 2002 bis August 2008 Vertreter der Stahlhersteller im sogenannten Technikerkreis der Walzstahl-Vereinigung  Absprachen über die wichtigsten Aufpreise und Zuschläge für bestimmte Quartobleche in Deutschland getroffen hätten. In den Folgejahren bis Mitte 2016 hätten die Unternehmen diese Preisbestandteile weiterhin nach den einheitlichen, untereinander vereinbarten Modellen berechnet oder koordiniert voneinander abgeschrieben.

Quartobleche sind warm gewalzte Stahl-Flacherzeugnisse. Sie kommen insbesondere in den Bereichen Stahl- und Brückenbau, Hochbau, Schiffsbau, Kessel- bzw. Druckbehälterbau, allgemeiner Maschinenbau, sowie zum Bau von Windtürmen und Pipelines und in der Offshore-Industrie zum Einsatz. Von diesem Verfahren nicht betroffen sind dabei die rost-, säure-, und hitzebeständigen Stähle, die Werkzeug- und Vergütungsstähle sowie die Stähle für b stimmte Offshore-Konstruktionen. Ebenfalls nicht betroffen sind walzplattierte Quartobleche.

Preismodell endete 2016

Der Preis für die betroffenen Quartobleche setzte sich in Deutschland traditionell zusammen aus einem kundenindividuell verhandelten Basispreis und diversen Aufpreisen und Zuschlägen. Die Aufpreise wurden für die Erfüllung bestimmter Qualitätsmerkmale wie z.B. besondere Festigkeit oder Zähigkeit, aber auch für Zusatzleistungen, wie z.B. Ultraschallprüfungen, erhoben. Bei den Zuschlägen handelt es sich um die Legierungszuschläge und den Schrottzuschlag, also um Zuschläge für bestimmte Einsatzstoffe bei der Produktion einiger Quartoblechgüten. Die im Grundsatz brancheneinheitlichen Aufpreise und Zuschläge machten etwa 20-25 Prozent des Gesamtpreises für Quartobleche aus und waren bis Mitte 2016 in Preislisten der betroffenen Quartoblechhersteller enthalten und veröffentlicht.

Hintergrund der Absprachen war das gemeinsame Verständnis und Ziel der Unternehmen, mit ihren Kunden möglichst nur über die Basispreise und nicht über diese Aufpreise und Zuschläge zu verhandeln. Insgesamt hat die Bedeutung des traditionellen Preissystems im relevanten Zeitraum abgenommen.

Zum 1. Juli 2016 hat die thyssenkrupp Steel Europe AG eine neue Preisliste mit Aufpreisen und Zuschlägen herausgebracht, die von dem im Technikerkreis besprochenen Preismodell und den daraus abgeleiteten Preisen deutlich abweichen. Hierdurch endete die Geltung des im Technikerkreis besprochenen Preismodells insgesamt.

Die Unternehmen haben die vom Bundeskartellamt gegen sie jeweils erhobenen Vorwürfe eingeräumt und einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zugestimmt. Dies wurde bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt. Die voestalpine Grobblech GmbH hat darüber hinaus auch während des Verfahrens mit dem Bundeskartellamt kooperiert, was ebenfalls bei der Bußgeldfestsetzung berücksichtigt wurde.

Die verhängten Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide samt der in ihnen getroffenen Feststellungen kann Einspruch eingelegt werden, über den gegebenenfalls das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.

Voestalpine kooperierte

Die Ermittlungen des deutschen Kartellamts seien der Voestalpine im September 2017 infolge einer Hausdurchsuchung bekannt geworden. Der Konzern hat die Ermittlungen des Bundeskartellamtes laut Eigenangaben "von Beginn an unterstützt und vollinhaltlich kooperiert".

"Bei voestalpine Grobblech kamen die betroffenen Aufpreise und Zuschläge aufgrund einer Umstellung in der Preissystematik bereits seit vielen Jahren nicht mehr zur Anwendung", so der Konzern in der Stellungnahme. Zudem seien von der voestalpine Grobblech nie Schrottzuschläge und nur in wenigen Einzelfällen Legierungszuschläge angeboten worden. Das "einheitliche Aufpreissystem" habe in der Vergangenheit "oftmals dem Wunsch der Kunden" entsprochen.

"Ehemalige sowie die aktuellen Mitglieder des Vorstandes der voestalpine AG waren in diesen Sachverhalten weder involviert, noch hatten sie darüber Kenntnis", betonte man seitens des Unternehmens. Im Rahmen der Aufarbeitung des Sachverhalts habe die voestalpine bereits alle Verbandsmitgliedschaften auf ein notwendiges Maß reduziert und restriktive Regelungen für Teilnahmen an Verbandssitzungen und -veranstaltungen festgelegt.

Der Linzer Konzern hat mehr Erfahrung mit Kartellverfahren, als ihm lieb ist. Abgesehen von dem Grobblechkartell hat die voestalpine für die Teilnahme an einem Schienenkartell 14,9 Millionen Euro plus Schadenswiedergutmachungen gezahlt. Die Rückstellung dafür hatte sich dabei ursprünglich auf 205 Millionen Euro belaufen. Für die Teilnahme an einem Spannstahlkartell wurden 7,5 Millionen Euro fällig. Straffrei ging das Unternehmen dank Kronzeugenregelung in einem Edelstahlkartell aus. Eingestellt wurde ein Verfahren wegen Beteiligung an einem Autokartell.

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