Interview

Adèle Haenel: Galionsfigur des neuen französischen Films

Adèle Haenel
Adèle HaenelElsa Okazaki
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Adèle Haenel im Gespräch über ihren neuen Film, Geschlechterrollen und ein neues Kino von Frauen, das Männern ungewöhnlich wenig Platz einräumt.

Adèle Haenel ist für die Viennale nach Wien gekommen, im Eröffnungsfilm „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ spielt sie die Hauptrolle. Es ist einer jener fast sommerlich heißen Herbsttage dieses Jahres, vor dem Fotoshooting sitzt Haenel auf der Terrasse vor dem Studio in der sengenden Sonne und begrüßt auf Deutsch die vorbeischnurrende Katze. Haenel ist die Tochter eines österreichischen Übersetzers, in Paris aufgewachsen. Als Kind, meint sie, konnte sie die Sprache, vergaß sie später aber, „wie das oft passiert“. Erst für ihre Rolle in Chris Kraus’ Film „Die Blumen von gestern“, in dem Haenel an der Seite von Lars Eidinger spielte, lernte sie Deutsch erneut. In Wien ist die Schauspielerin, eine der gefeiertsten des zeitgenössischen französischen Kinos, ein wenig müde nach einer langen Promotiontour für ihren Film, die in Cannes begonnen hat. Die Aufregung, die Adèle Haenel einige Wochen später auslösen wird, indem sie den französischen Regisseur Christophe Ruggia beschuldigt, sie bei den Dreharbeiten zu ihrem ersten Film „Les Diables“ – da war sie noch ein halbes Kind – sexuell belästigt zu haben, ist in Wien noch nicht abzusehen und darum kein Thema. Auf die wegen ihrer Filmprojekte und ihrer Stellungnahmen als prominente Kulturschaffende naheliegende Frage, ob sie sich selbst als Feministin bezeichnet, sagt Haenel im Interview, ohne zu zögern: „Ja, absolut. Und zwar in Großbuchstaben, Sie können ruhig ,FEMINISTIN‘ schreiben.“

In ihrem neuen Film, der nun in Österreich in die Kinos kommt, spielt Adèle Haenel in der Regie von Céline Sciamma (die beiden Frauen waren eine Zeit lang ein Paar, es ist ihre zweite gemeinsame Produktion) die junge Héloïse. Nach dem Tod ihrer Schwester wurde sie aus dem Kloster ins Heim der Familie auf einer Insel vor der bretonischen Küste geholt: Die Handlung ist im späten 18.  Jahrhundert angesiedelt, Héloïse soll nach Mailand verheiratet werden. Doch zunächst gilt es, an ihren künftigen Gatten ein gemaltes Porträt zu schicken, das dessen Gefallen finden soll. Héloïse verweigert sich aber dem Blick des Malers – dem „male gaze“ –, der beauftragt wird, sie zu malen. So verfällt die Mutter auf eine List und holt die Künstlerin Marianne ins Haus: Sie soll als Gesellschaftsdame einige Tage mit Héloïse verbringen, ohne ihre Mission zu offenbaren. Mit verstohlenen Blicken und erhaschten Details – eine Lippe, ein Ohr, eine Handhaltung – soll sie nach und nach das Porträt von Héloïse zusammentragen. Doch zwischen den beiden jungen Frauen entwickelt sich bald eine besondere Spannung, die zu einer kurzen und leidenschaftlichen Affäre führt.

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