Die Abschaffung des Pflegeregresses steigerte die Nachfrage, so der Gemeindebund. Das vom Bund bereitgestellte Geld reiche nicht aus.
Wien. Eigentlich war 2018 ein gutes Jahr für die heimischen Gemeinden. „Die Einnahmen sprudelten unerwartet stark“, sagt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl am Donnerstag bei der Präsentation des diesjährigen Gemeindefinanzberichts. „Aber auch die Ausgaben legten kräftig zu. Und das macht uns inzwischen wirkliche Sorgen.“ Erstmals seit der Finanzkrise konnten die Gemeinden kein positives Maastricht-Ergebnis vorweisen, sondern lagen mit zwölf Millionen Euro im Minus. Angesichts eines jährlichen Budgets von rund 20 Milliarden Euro ist das zwar ein geringer Betrag, dennoch ist es laut Riedl ein Zeichen, dass sich die finanzielle Situation der Gemeinden verschärfe.
Das Problem für die Gemeinden ist dabei laut Riedl, dass sie die sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite meist nicht selbst bestimmen können, sondern nur die Politik umsetzen, die von Bund und Ländern vorgegeben wird. So gab es seit dem Jahr 2012 in allen typischen Aufgabenbereichen der Gemeinden deutliche Steigerungen. Bei der Krankenversorgung erhöhten sich die Kosten etwa um 23 Prozent, bei der Kinderbetreuung um fast 42 Prozent und bei der Pflege um etwas mehr als 30 Prozent.
Pflege: 340 Mio. vom Bund zu wenig
Letztere ist für den Gemeindebundpräsidenten das größte Problem. Denn aufgrund des Nationalratsbeschlusses im freien Spiel der Kräfte vor der Nationalratswahl 2017 wurde ja der Pflegeregress abgeschafft. Das hatte direkte Auswirkungen auf die Gemeinden, von denen die Pflegeleistungen oft erbracht werden. Die Abgeltung des Bundes für die dadurch entstandenen Kosten in Höhe von 340 Millionen Euro würden dafür nämlich nicht ausreichen. „Das waren vielleicht die Kosten, die damals angefallen sind. Durch die Abschaffung des Pflegeregresses wurde aber auch die Nachfrage massiv stimuliert. In manchen Gemeinden gibt es eine Steigerung beim Bedarf an stationären Betreuungsleistungen um 70 bis 80 Prozent“, so Riedl.
Der Gemeindebundpräsident fordert daher einerseits, dass künftig vom Nationalrat in Vorwahlzeiten keine Beschlüsse mehr gefasst werden, wenn es keine stabile Regierung gibt. Andererseits müsse der Bund aber auch mehr Unterstützung an die Gemeinden geben. „Wenn meine Einnahmen jedes Jahr um drei bis vier Prozent steigen, meine Ausgaben aber um neun Prozent, dann weiß ich als Gemeinde, wie lang es dauert, bis wir pleite sind.“ Die Gemeinden brauchten daher einen höheren Anteil aus dem Finanzausgleich.
Klimaschutz sorgt für Kostenlawine
Grund dafür sei aber nicht nur die Kostenexplosion bei der Pflege. Auch der Klimaschutz sorge mittelfristig für eine neue Kostenlawine für die Gemeinden, so Riedl. „Alle reden jetzt davon, dass der öffentliche Verkehr unbedingt ausgebaut werden muss.“ Wenn man das wolle, müsse man aber auch das dafür notwendige Geld in die Hand nehmen. „Wir wollen am Land die gleiche Unterstützung haben wie in den urbanen Regionen“, so der Gemeindebundpräsident.
Laut Wifo-Chef Christoph Badelt werden die Gemeinden in den kommenden Jahren auch nicht nur wegen der höheren Kosten stärker unter Druck geraten. „Wir sind in der Schlussphase einer Hochkonjunktur. Die Wirtschaft schwächt sich langsam ab, was naturgemäß auch zu geringeren Einnahmen für den Staat und somit auch für die Gemeinden führt.“ Er plädiert daher noch einmal eindringlich für eine Entflechtung der Kompetenzen, um so Doppelgleisigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu beseitigen. Dadurch könne dringend benötigtes Geld eingespart werden. (jaz)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2019)