Der ökonomische Blick

Was bringen Steuern auf den Flugverkehr?

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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Margit Schratzenstaller über Luftverkehr.

In die Debatte um eine angemessene Bepreisung der Emissionen aus dem Flugverkehr in der EU ist jüngst Bewegung geraten. Anfang November sorgte eine von neun EU-Ländern an die neue Europäische Kommission gerichtete Aufforderung, für eine wirksame Bepreisung der Emissionen des Fliegens in Europa zu sorgen, für Aufsehen. Bereits zuvor hatten die Niederlande für den Fall mangelnder Initiativen auf EU-Ebene die Einführung einer Flugticketabgabe ab 2021 angekündigt. Deutschland erhöht im Rahmen des Klimapakets ab 2020 die Luftverkehrssteuer.

In der Tat muss die erforderliche Mobilitätswende in der EU auch den Flugverkehr, als die mit Abstand klimaschädlichste Art des Reisens, miteinbeziehen. Zwar macht der Flugverkehr weltweit nur 2,8 Prozent an allen CO2-Emissionen aus, in der EU sind es 3,6 Prozent. Allerdings ist das Wachstum rasant: So ist in der EU die Anzahl der Fluggäste seit 2009 um 43 Prozent auf 1,1 Milliarden Personen gestiegen. In den letzten fünf Jahren sind die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr in Europa um gut 26 Prozent gewachsen. Zudem verursacht der Flugverkehr eine Reihe weiterer Treibhausgasemissionen.

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Gerade innerhalb der EU ist das Potential für die Umlenkung der Verkehrsströme vom Fliegen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel, insbesondere die Bahn, groß. Die EU verfügt über mehrere Hebel, um eine solche Transformation im Verkehrsbereich zu unterstützen. So können erstens auf EU-Ebene Investitionen in grenzüberschreitende klimafreundliche Bahninfrastruktur gefördert werden. Im Rahmen des nächsten EU-Budgets 2021 bis 2027 sollten jedenfalls die derzeit geplanten Mittel für die Verbesserung grenzüberschreitender klimafreundlicher Verkehrsinfrastruktur im Rahmen der Connecting Europe Facility aufgestockt werden.

Zweitens kann der institutionelle Rahmen der EU genutzt werden, um eine Bepreisung der Emissionen des Fliegens sicherzustellen. Der europäische Flugverkehr ist strukturell unterbesteuert. Gemäß dem Chicago-Abkommen zur internationalen Zivilluftfahrt von 1944 ist der Treibstoff für internationale Flüge von der Mineralölsteuer ausgenommen. Zwar darf Kerosin im internationalen Flugverkehr auf der Basis von bilateralen Verträgen besteuert werden, allerdings nutzt kein einziger Mitgliedstaat diese Möglichkeit. Zudem schreibt die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie den Null-Steuersatz für internationale Flüge vor: für die Anschaffung von Flugzeugen ebenso wie für Treibstoffe und Flugtickets. Die Möglichkeit, den Inlandsflugverkehr mit Mehrwertsteuer zu belegen, nutzen die meisten EU-Länder, wobei häufig – wie in Österreich – der ermäßigte Mehrwertsteuersatz angewendet wird. Dagegen machen nur wenige Mitgliedsländer von der Möglichkeit einer Mineralölsteuer auf Kerosin für Inlandsflüge Gebrauch.

Diese Unterbesteuerung des Flugverkehrs wird durch andere CO2-Bepreisungsmechanismen nur unzureichend kompensiert. Vom 2005 eingeführten europäischen Emissionshandelssystem EHS war der Flugverkehr zunächst ausgenommen. Seit 2012 deckt das EHS Intra-EU-Flüge ab, allerdings greift es kaum. 2012 wurden 85 Prozent der Emissionszertifikate an die Luftfahrtunternehmen kostenlos vergeben, dieser Anteil wird bis 2020 auf 82 Prozent reduziert. Der effektive CO2-Preis im innereuropäischen Luftverkehr ist damit nach wie vor sehr gering. Zudem scheiterte bislang die Einbeziehung der Flüge aus der und in die EU in das EHS am Widerstand Chinas und der USA.

Mit 2021 soll das von der UN-Luftfahrtorganisation ICAO beschlossene Offsetting-System CORSIA für den internationalen Luftverkehr in Kraft treten. Es adressiert alle CO2-Emissionen aus der Luftfahrt, die das Niveau von 2020 überschreiten: primär in Form von Kompensationsmaßnahmen und alternativem Treibstoff. Allerdings wird seine Effektivität begrenzt sein. So ist die Teilnahme der Länder bis 2026 freiwillig, und zuletzt sind zunehmend Zweifel an der ökologischen Effektivität von Kompensationsmaßnahmen laut geworden.

Insgesamt gibt es somit in der EU zumindest mittelfristig Raum für Steuern auf den Flugverkehr. Prinzipiell bieten sich als Optionen die Besteuerung von Kerosin oder von Flugtickets an. Dabei ist der Vorteil einer Flugticketabgabe gegenüber einer Kerosinsteuer, dass sie wesentlich weniger leicht durch Ausweichen in Drittländer vermieden werden kann. Freilich müsste sie sich am Treibhausgasausstoß individueller Flüge orientieren, um auch ökologisch wirksam zu sein.

Die Erfahrungen mit nationalen Flugticketabgaben zeigen, dass nationale Alleingänge bei der Besteuerung des Luftverkehrs wenig erfolgversprechend sind. Derzeit haben nur fünf EU-Länder eine – relativ geringe und kaum an die Emissionen gekoppelte - Flugticketabgabe. Norwegen schaffte 2002 seine Flugticketabgabe nach 25 Jahren ab, in Malta überlebte sie nur sieben, in Irland nur fünf Jahre. Nachdem sie massive Ausweichreaktionen der Passagiere auf benachbarte unbesteuerte Flughäfen ausgelöst hatte, nahmen Dänemark und die Niederlande ihre Ticketabgaben fast sofort nach der Einführung wieder zurück. Deutschland und Österreich haben nach der Einführung 2011 die Ticketabgabe rasch reduziert.

Steuern auf den Flugverkehr müssten also EU-weit koordiniert eingeführt werden. Das hätte einen weiteren Vorteil: Die Einnahmen könnten zur Finanzierung des EU-Budgets beitragen. Entsprechend könnten die EU-Länder ihre EU-Beiträge und damit andere Steuern – vor allem die hohen Abgaben auf Arbeit – reduzieren: Eine Art supranationale ökologische Steuerreform, die Teil des europäischen Green Deals werden sollte.

Die Autorin

Margit Schratzenstaller (*1968) ist Referentin für öffentliche Finanzen, Expertin im Fiskalrat und Lehrbeauftragte an der Universität Wien. Im Rahmen des EU-Projekts FairTax analysierte sie Optionen für nachhaltigkeitsorientierte Eigenmittelquellen fürs EU-Budget. 

Margit Schratzenstaller
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