EU-Gipfel

Polen triumphiert über „Klimarabatt“

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.(c) APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD (KENZO TRIBOUILLARD)
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Ministerpräsident Morawiecki präsentiert sich als Sieger des Ringens um die Ökowende. Seine Regierung verschärft derweil die Angriffe auf den Rechtsstaat.

Brüssel. Das Bemühen der beiden neuen EU-Spitzen Ursula von der Leyen und Charles Michel um die Vermeidung eines Eklats beim ersten Europäischen Rat ihrer Ära hat einen hohen politischen Preis. Mit dem Zugeständnis an Polens Regierung, sich vorerst nicht dem gemeinsamen Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 anschließen zu müssen, sondern dies im kommenden Juni erneut aufs Tapet bringen zu dürfen, haben die neue Kommissionsvorsitzende und der neue Präsident des Europäischen Rates Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki die Möglichkeit eröffnet, die Zustimmung zu dieser Ökowende an höhere Zahlungen aus dem Unionsbudget zu knüpfen.

Zudem macht es die offenkundige Konfliktscheu von der Leyens und Michels für Morawiecki nun denkbar, dass er für die Teilnahme am „Grünen Deal“ – dem neuen Prestigeprojekt der Union – einen nachsichtigeren Umgang der EU mit den Angriffen seiner Regierung auf die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten verlangt. Und diese Angriffe, welche bereits mehrere Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg nach sich gezogen haben, nahmen am Donnerstag eine neue Qualität an. Morawieckis Regierungspartei, die nationalautoritäre PiS, legte in Warschau einen Gesetzesentwurf vor, kraft dessen Richter sich des Amtsmissbrauchs schuldig machen würden, wenn sie Urteile des EuGH, denen das polnische Verfassungstribunal widerspricht, umsetzen.

Macron droht Polen

Morawiecki erklärte nach dem Brüsseler Gipfeltreffen, wieso er kein Veto gegen die gemeinsame Erklärung zur Ökowende eingelegt, sich aber die eingangs erwähnte Ausnahme ausbedungen hatte: „Denn dann könnten die Europäische Kommission und Vizepräsident Frans Timmermans uns strenge Klimaziele auferlegen. Dank der Bestimmungen in den Schlussfolgerungen des Gipfels ist dieses Risiko jetzt beseitigt. Die EU muss den sogenannten Klimarabatt für Polen berücksichtigen.“

Allerdings setzt er sich und sein Land damit dem Ärger der Nettozahler aus – allen voran jenem Frankreichs. Sollte Polen im Juni seine Teilnahme an der Ökowende nicht bestätigen, „würde es die europäischen Mechanismen verlassen, und damit auch die finanziellen Mechanismen“, drohte Staatspräsident Emmanuel Macron. So weit wird es nicht kommen, denn Polen hat einen weiteren europapolitischen Pfeil im Köcher: Der Beschluss des EU-Budgets erfordert Einstimmigkeit.

Von der „Presse“ auf die Gefahr des Abtausches Rechtsstaat gegen Ökowende angesprochen, sagte der niederländische Ministerpräsident, Mark Rutte, nach Gipfelende: „Der Rechtsstaat ist nicht verhandelbar. Er kann von niemandem und niemals auf diese Weise in Stellung gebracht werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2019)

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